Donnerstag, 27. April 2017

Osterferien im Libanon.


Endlich Ferien!
Nach einer letzten Minzlimonade hat sich Jan mit dem Auto auf den Weg zum Flughafen gemacht, um zurück in den Norden Deutschlands zu kehren. Zwei ereignisreiche Osterferienwochen liegen hinter mir. Mit meiner Rückkehr in den Beiruter Alltag endet nun auch die dreiwöchige Blog-Pause.
In den Tagen vor Jans Ankunft bin ich vornehmlich mit einem kurzen Essay und einer Klausur für die Uni beschäftigt. Dazwischen liegt außerdem ein kurzer Ausflug in das Begegnungszentrum 'Dar as-Salam', in dem ich mich gemeinsam mit meinem Kommilitonen Clemens einen Tag lang der Betreuung von fünf Kindern widme. Unter Leitung der
Kinderbetreuung
deutschen Gemeinde in Beirut findet dort ein Treffen der deutschen Pastoren statt, die in Gemeinden im Nahen Osten tätig sind. Für einen Tag übernehmen Maxie und Lydia die Kinderbespaßung, den zweiten Tag sind wir dran. Wir bemalen Ostereier, spielen Raumschiff-Expedition und 'Militär', und ich darf regelmäßig als Pferd durch den Garten galoppieren und die tobenden Piraten und Weltraumforscher auf meinem Rücken transportieren. Ein anstrengender und dennoch schöner Tag, der für eine gelungene Alltagsabwechslung sorgt. Während unseres Aufenthalts begegnet mir Torsten, ein junger Pfarrer der derzeit in Jerusalem tätig ist. Nachdem er mich mehrmals bittet, ihm am Wochenende die Stadt zu zeigen, nehme ich mir letztlich einige Stunden Zeit, um mit ihm durch die verlassene
Urlaub im Auto
Baalbek
Altstadt und das Ausgehviertel Gemmayzeh zu spazieren, und zwischendurch das Sursock-Museum zu besichtigen. Außerdem ist in der ersten Aprilwoche meine Schulfreundin Rike im Land, mit der ich mehrere Abende mit langen Gesprächen und gutem Essen verbringe. Bis endlich das Wiedersehen mit Jan ansteht, den ich zuletzt im Januar bei meinem Besuch in Deutschland gesehen hatte. Mit meinem großen roten Koffer, Wasserkocher und allerlei Krimskrams verlasse ich für zwei Wochen die N.E.S.T, und ziehe zunächst in ein kleines Apartment im östlichen Stadtteil Ashrafiyeh, in dem ich gemeinsam mit Jan unterkommen kann. In den ersten Tagen habe ich noch einige Uni-Angelegenheiten zu klären: Eine Klausur, Arabischunterricht und ein österlicher Gottesdienst im Rahmen der Hochschule stehen auf dem Programm, bevor wir Zeit finden um Beirut zu verlassen und gemeinsam mit Maxie und ihren Freunden Lena und Arian das Land zu bereisen. So beginnt der Urlaub entspannt mit ein paar Spaziergängen durch die Stadt, mehreren Kinobesuchen und einem kleinen Ausflug in die Jeita-Grotte.
1962 vs. 2017
Bereits am Wochenende steht der erste größere Ausflug an, der uns in die Bekaa-Ebene nach Baalbek führt. Während Lydia und Maxie die Stätte bereits auf einem früheren Ausflug besichtigt hatten, bietet sich mir das erste Mal Gelegenheit, die beeindruckenden Bauten zu bestaunen. Nachdem mein Vater bereits auf einer Busreise von Deutschland nach Jerusalem im Jahr 1962 einen Zwischenstopp in Baalbek einlegte, habe ich nun die Möglichkeit, eine seiner alten Fotografien am Originalschauplatz nachzustellen. In der Nacht zum Ostersonntag machen sich Lydia, ihr Freund Christian, Jan und ich auf den Weg durch Beirut, um einen orthodoxen Osternachtsgottesdienst ausfindig zu machen.
Batroun
Bei unserem Streifzug durch die Stadt soll sich allerdings herausstellen, dass lediglich die maronitischen Kirchen einen Mitternachtsgottesdienst anboten. Also lassen wir uns nach mehreren Versuchen letztlich in der großen maronitischen Saint Georges Kirche nieder, um die Prozession zu beobachten. Die kommenden zwei Tage genießen Jan und ich die Zweisamkeit bei Kaffee am Meer in der Sonne, bevor wir uns auf unsere Fahrt durchs Land machen. Maxie, Lena und Arian holen uns am Dienstagmorgen mit dem kleinen Auto ab, in dem uns Maxie in den kommenden Tagen über die holprigen Straßen kutschiert. Wir beginnen mit einem späten Frühstück in der kleinen Küstenstadt Batroun. Jan und Arian können es sich nicht nehmen lassen, von einer kleinen Brücke ins türkisblaue Meer zu springen, das uns von allen Seiten anzulächeln
Wanderung durchs Qadisha-Valley
scheint. Ein malerischer Ort, den wir wenig später erneut von oben betrachten, als wir wie vor einigen Wochen das leerstehende und unfertige 'Meeresinstitut' besteigen, um den Blick über die Dächer zu genießen. Wir fahren weiter nach Bsharre, den Herkunftsort des Dichters Khalil Gibran, in dem wir die kommenden zwei Nächte in einem kleinen Motel in einem Fünferzimmer unterkommen. Von dort machen wir einen kleinen Spaziergang durch ein Zedernreservat, und eine große Wanderung durch das zauberhafte Qadisha Tal. Auf den Bergen liegt im Norden noch Schnee, die Wasserfälle plätschern fröhlich und der Frühling sorgt für angenehme Temperaturen.
Auf der Weiterfahrt in den Süden machen wir
in der Nähe der Jeita-Grotte Halt, um die 'Hall of Fame' zu besuchen: Ein Wachsmuseum mit
Hassan Nasrallah und Bill Clinton aus Wachs
prominenten Figuren, die sich dank moderner Technik nicht nur bewegen sondern auch sprechen und singen. Ein bizarrer Anblick, den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah neben den ehemaligen U.S Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush in einem Raum vereint anzutreffen. Im südlichen Tyros beziehen wir eine geräumige Air'bnb Wohnung mit Blick aufs Meer. Lydia und ihr Freund Christian stoßen am Abend zu uns, und wir beenden den fahrtintensiven Tag mit dem Kartenspiel 'Wizard' und einem Bier an der Küste. Der
Besuch im Hisbollah-Museum
kommende Morgen führt uns erneut ins Hisbollah-Museum, bevor wir an den Strand von Tyros fahren, und den Rest des Tages in der Sonne genießen. Jan und Arian finden am Strand Verbündete zum Fußball spielen, während ich eifrig Muscheln sammle und Maxie und Lena eine kleine Selfie-Reihe machen. Auch am kommenden Tag kehren wir bei 32 Grad an den Strand zurück, doch trotz der Hitze lässt es sich an diesem Tag nur kurz am Meer aushalten, weil der Wind den Sand mit aller Kraft durch die Lüfte wirbeln lässt.
Am Strand von Tyros
Unglücklicherweise kollidiert mein Zeh kurz vor der Weiterfahrt mit einem Stein, und während Arian die eigentlich kleine Wunde professionell verarztet, falle ich bereits zum zweiten Mal im Laufe der letzten Monate in Ohnmacht. Blut sehen war leider noch nie meine Stärke. Für eine Falafel und einen Kurzbesuch der alten Souks machen wir Halt in Saida, bevor wir am Abend nach fünf Tagen nach Beirut zurückkehren. Nach einer kurzen Pause und unserem wiederholten Check-In in unserem Air'bnb in Ashrafiyeh beenden wir die gemeinsame Reise mit einem Bier in Mar
Bier in Mar Mikhael
Mikhael. Nachdem Jan und ich uns am kommenden Tag von der Reise erholen und das Haus lediglich für einen kurzen Einkauf verlassen, beschließen wir kurzerhand für die letzten Tage seines Aufenthaltes erneut ein Auto zu mieten. Die Benzin- und Mietautopreise sind günstig, und der Wagen macht uns im Land wesentlich flexibler. Am Montag beginnen wir unsere zweite Tour mit einem Frühstück auf den Ruinen des Tempels von Eshmun, einer alten Stätte der Phönizier. Wir sind – wie so oft – die einzigen Touristen und spazieren mit meinem Reiseführer von 1998 durch die Anlage, der uns Auskunft über die Geschichte des Ortes gibt. Im Anschluss
Tempel von Eshmun
fahren wir erneut in den Süden, um die Wasserfälle von Jezzine zu besichtigen und eine unfertige Kirche zu besuchen. Zwischen Müll und Wasserfall klettern wir über die Steine, und bestaunen den Ausblick auf die Berge. Mit dem Film 'Oceans 11' und Pasta mit Champignon-Tomaten-Sojasahnesoße geht der Tag friedlich zu Ende. Unser letzter Ausflug führt Jan und mich in das Shouf-Gebirge, das vornehmlich von Drusen und Maroniten bewohnt wird. Dort führt uns Google maps über Umwege durch das Gebirge nach Deir al-Qamar, eine kleine maronitisch geprägte Stadt, in der wir unter anderem eine leerstehende Synagoge besichtigen. Auf dem Weg in das ehemalige Gotteshaus werden wir von einer freundlichen Dame angesprochen, die uns die Synagoge zeigen möchte und uns wenig später auf einen Kaffee in ihr Haus einlädt. Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie in einem alten
Ehemalige Synagoge in Deir al-Qamar
Kirchgebäude. Als wir das Gebäude betreten, treffen wir auf eine weitere Reisegruppe junger Tänzer, die ebenfalls von dem freundlichen Paar eingeladen wurden. Eine gute Gelegenheit, ein wenig Arabisch zu hören und zu sprechen und außerdem selbstgemachtes Rosenwasser und Apfelsaft aus der hauseigenen Produktion zu erwerben.
Nach meinem dritten Glas türkischem Kaffee
Palast von Beit Eddine
brechen wir auf, um den Palast von Beit Eddine zu besuchen, der nur wenige Kilometer vom Ort entfernt liegt. Ein prächtiger Bau, in dem es viele Ornamente, Farben und Formen zu entdecken gibt. Zuletzt steht ein erneuter Besuch in Bakata an, einem kleinen drusischen Ort in der Nähe. Dort befindet sich der mystisch angehauchte drusische Friedhof, den Maxie und ich bereits vor einigen Monaten besichtigen konnten. Wie beim letzten Mal gehe ich in den gegenüberliegenden Friseursalon, um nach dem Schlüssel für das Areal zu fragen. Bedauerlicherweise ist der Chef des Ladens nicht anwesend, und so werden wir zunächst auf den kommenden Tag vertröstet. Da Jan am nächsten Tag jedoch
Auf dem drusischen Friedhof
bereits abreisen muss, laufen wir eine Weile um den abgesperrten Friedhof herum, um immerhin von Außen ein paar Symbole und Elemente zu entdecken. Wir stellen uns bereits auf die Rückfahrt nach Beirut ein, als Jan in einem kleinen Geschäft auf der Suche nach Briefmarken durch einen Zufall auf den Chef des Friseursalons trifft. Dieser hatte mich beim Betreten des Ladens sofort erkannt, und ließ es sich nicht nehmen, uns in Windeseile den Schlüssel zu organisieren, und mit uns über den Friedhof zu laufen. Jan war von der Symbolik und dem mystischen Grundkonzept der Anlage beeindruckt, und so wurde der letztlich überraschende Besuch wohl zu einem kleinen finalen Highlight.
Gestern begann für mich erneut der Alltag an der Uni, und Jan begleitete mich am Morgen in den Ethik-Kurs, bevor er mit dem Mietauto zum Flughafen fuhr und letztlich sicher in Deutschland landete. Eigentlich war der Plan, meinen Blog bereits gestern fertig zu schreiben – allerdings kam mir ein Besuch mit Lydia im Emergency Room dazwischen, die auf Grund einer verschleppten Blasenentzündung letztlich für einige Stunden mit Antibiotika am Tropf hing. Jetzt scheint es aber glücklicherweise wieder bergauf zu gehen. Der heutige Morgen
Sea-Castell von Saida
begann mit dem üblichen Arab-Israeli-Conflict Seminar an der AUB und mit einem unüblichen Gast: Der deutsche Botschafter des Libanons war anwesend, um einen Abriss über die politische Haltung Deutschlands gegenüber Israel und Palästina zu geben. Eine spannende Abwechslung zum gängigen Unterricht. Bedauerlicherweise findet in der kommenden Woche bereits die letzte Sitzung des Seminars statt. Nur noch wenige Wochen liegen zwischen mir und meiner Rückkehr, und noch immer ist einigermaßen unklar, wo es mich im Anschluss hinführen wird. In den nächsten Wochen werde ich mich neben dem Arabischunterricht vor allem mit einer Hausarbeit im Ethik-Seminar befassen. Das Thema steht noch nicht fest, mittlerweile habe ich aber immerhin eine gute Idee. Ich freue mich auf die letzten Wochen im libanesischen Alltag, und werde von Tag zu Tag gespannter auf meine noch ungewisse Zukunft in Deutschland.

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