Montag, 30. Januar 2017

Faint and Fairouz.


Blick auf schneebedeckte Berge
Während ich zurück in Beirut die milden Temperaturen und die Sonne über'm Mittelmeer genieße, strahlt am Horizont der Schnee der Berge. Für Spaziergänge an der Corniche blieb in den letzten Tagen allerdings wenig Zeit, da uns die abschließenden Klausuren bevorstanden. Zwischen Besuchen in der Bibliothek des Orientinstituts und im Café Younes blieb immerhin Raum für einen kurzen Ausflug in das Zentrum einer NGO, die eine Solidaritätsveranstaltung mit dem 'Women's March on Washington' organisiert hatte. Dort fanden wir uns unter vielen engagierten Frauen und wenigen Männern wieder, die zusammengekommen waren um Vernetzungsmöglichkeiten in der feministischen Szene Beiruts zu diskutieren. Wieder ein Mal betrete ich einen kleinen, versteckten Mikrokosmos der Stadt. Es ist eine Welt, in der geschnipst und nicht geklatscht wird, um gewaltfrei Zustimmung auszudrücken und in der sich vor allem U.S-amerikanische und europäische Frauen mit hoffnungsvollen Intentionen ein Stelldichein zu geben scheinen.
Januarsonne in den Bergen des Libanons

Außerdem hatten Maxie, Lydia und ich ein zweites Mal Gelegenheit, die libanesische Autorin Emily Nasrallah in ihrem großen Appartement mit Meerblick zu besuchen. Da wir gebeten wurden, der alten Dame ein Geschenk zu überreichen, machten wir es uns am letzten Montag bei ihr gemütlich, um bei einer Tasse Kaffee und Obstsalat Geschichten aus vergangenen Zeiten zu lauschen.
Studieren mit Meerblick: Die amerikanische Universität Beirut
Am Donnerstag spazierten Maxie und ich am morgen durch den Regen zur amerikanischen Universität, und mischten uns als Gasthörerinnen eines Einführungsseminares zum Nahostkonflikt unter die Studierendenschaft. Eine vielversprechende erste Sitzung, die von etwa fünfundzwanzig libanesischen wie internationalen Studenten besucht wird.
Bevor am Freitagnachmittag die letzte Klausur anstand, war es außerdem Zeit für eine weitere Einheit Englischunterricht im Flüchtlingslager. Bei unserem bereits dritten Besuch wurden wir herzlich von den Kindern in Empfang genommen, um wenig später gemeinsam zu singen und uns zur Musik zu bewegen.
Überall Gesichter... <3

Dank der dauerhaften Präsenz einer Lehrerin laufen die Stunden meist recht konzentriert ab – verlässt sie aber den Raum, findet immer irgendwer einen Anlass für ein bisschen Chaos. Ab sofort haben wir den Auftrag, den Kindern verschiedene Lieder zum Muttertag beizubringen, der im Libanon am 21. März zum Frühlingsbeginn gefeiert wird. Auf einer kleinen Feier für die Eltern sollen die Lieder schließlich zum Besten gegeben werden.
Nach unserer Ostkirchen-Klausur, die letztlich wesentlich leichter als erwartet wurde, verbringen Maxie und ich einen lustigen Abend im Caiptain's, einer der wenigen Bars mit bezahlbarem Bier. Ich begegne einem jungen Mechatroniker, der drei Jahre in Karlsruhe studiert hat und fließend Deutsch spricht und unterhalte mich mit linken Libanesen die von einer marxistischen Revolution im Land träumen.
New-Semester resolutions.
Außerdem erzählt mir ein Atheist mit muslimischen Wurzeln, weshalb er den Rechtsruck in Europa befürwortet: Aus seiner Sicht ist es wichtig, dem wachsenden Islamismus und den Forderungen der islamischen Gesetzgebung Einhalt zu gebieten, da er sich als 'Abtrünniger' in islamisch organisierten Ländern wie Saudi-Arabien mit der Todesstrafe konfrontiert sieht. Die rechten Parteien seien wichtig, um einen Ausgleich zur linken Politik der herrschenden Parteien zu schaffen, meint er. Immer wieder werde ich mit unerwarteten Positionen und überraschenden Denkmustern konfrontiert – Ein Abend, der mir noch länger in Erinnerung bleiben wird.
Januarsonne und ein grasgrüner VW
Auch am kommenden Tag ziehen Maxie und ich los, um das Semesterende mit einigen Kommilitonen und Bekannten zu feiern. Der Abend beginnt in einer Bar im lebendigen Viertel 'Mar Mikhael', und endet in einem Vorort Beiruts in einem Haus des Malteserordens. Dort leben einige Freiwillige aus Deutschland, Frankreich und Spanien, die für zehn Monate mit Menschen mit Behinderung arbeiten.
Selfie im Tal des Nahr al-Kalb
Zwischen Perlenpaulas und Polohemden fühle mich an meine Schulzeit und meinen eigenen Freiwilligendienst erinnert. Der Abend verläuft gut, bis ein Mädchen etwas übermütig eine Schiebetür schließt und dabei nicht bemerkt dass meine Fingerkuppe im Weg ist. Ich bewege mich in Richtung Küche um den demolierten Fingernagel zu kühlen, bis mir plötzlich schwindelig wird. Ich setze mich für einen Moment hin, stehe aber wenig später wieder auf um Maxie darauf aufmerksam zu machen dass es mir nicht gut geht. Einige Sekunden später kippe ich um, und komme erst auf dem Balkon wieder zu mir. Nachdem ich es in meinem kurzen Leben geschafft habe, bereits beim Friseur, auf einem Konzert, im Club und nach einer Weisheitszahn-Op in Ohnmacht zu fallen, bietet der eingeklemmte Finger bereits den fünften Anlass. Zurück in der Realität habe ich dank feuchtem Untergrund auf dem Balkon zwar eine nasse Hose und einen blauen Fleck auf dem Knie, fühle mich aber sofort wieder wach und klar.
Mit der Gondel in die Tropfsteinhöhle
Mit wenig Schlaf beschließen Maxie und ich am Sonntagmorgen den Tag trotz allem zu nutzen, und mit dem Bus ins Tal des 'Nahr al-Kalb' zu fahren. Dort befindet sich die Jeita-Grotte, eine imposante Tropfsteinhöhle, die aus einer oberen und einer unteren Höhle besteht. Bedauerlicherweise ist die untere Höhle auf Grund des hohen Wasserstandes geschlossen. Im Frühling und Sommer kann man dort mit einem Boot durch die alten Gemäuer fahren. Doch auch die obere Grotte, in der das Fotografieren leider verboten ist, hinterlässt uns staunend und beeindruckt. Auf dem Rückweg passieren wir ein Museum, in dem berühmte Persönlichkeiten in Wachs und Silikon zur Schau gestellt werden. Die Auswahl der Prominenten aus 'Kultur, Kunst und Politik' lässt uns schmunzeln. Obwohl ich für einen Moment erwäge, eine Nasrallah-Tasse zu erwerben, sparen wir uns den Besuch der 'Hall of Fame' wegen des überteuerten Eintritts.




In dieser Woche freue ich mich vor allem auf einen Ausflug nach Faraya, das größte Ski-Gebiet des Landes. Außerdem bleibt zwischen Seminar an der American University und Englischunterricht im Flüchtlingslager vor allem Zeit für die Dinge, die in der Prüfungsphase zu kurz kamen: Sport, Bewegung, Briefe schreiben.

[Für alle, die den Titel nicht verstanden haben]:  



Donnerstag, 19. Januar 2017

Die Gewissheit der Ungewissheit.



Nach nahezu einem Monat Pause finde ich endlich wieder Zeit, um mich an den Schreibtisch zu setzen und ein kurzes Lebenszeichen von mir zu geben.
Über zwei Wochen in Deutschland liegen hinter mir. Zwischen Bad Hersfeld, Berlin und dem hohen Norden habe ich mit Freunden und Familie Weihnachten, das neue Jahr und meinen Geburtstag gefeiert – und in der Zwischenzeit gutes Essen, trinkbares Leitungswasser und unbegrenztes Internet genossen.
Zurück in Beirut erwarteten mich nicht nur der Lärm der Straßen und das Lächeln der freundlichen Cappuccino Verkäuferin um die Ecke, sondern auch die Produktion einer ausstehenden Hausarbeit.
Im Rahmen des Ostkirchen-Seminars war es unsere Aufgabe, eine Abhandlung über die Rolle und Zukunft der Christen im Nahen Osten zu schreiben. Fünf Artikel von Autoren verschiedener Herkunft und Überzeugung wurden uns zur Verfügung gestellt, um sie im Laufe einer Woche zu vergleichen und zusammenzufassen.
Minz-Limo und Hausarbeit
Seit meiner Rückkehr habe ich meine Zeit daher in erster Linie im Café und am Schreibtisch verbracht, um in einer Woche zwanzig Seiten zu füllen. Unweit unserer Hochschule haben wir glücklicherweise ein Café ausfindig gemacht, in dem es sich im oberen Stockwerk stundenlang ungestört lernen ließ – und so zogen Maxie und ich für eine Woche mehr oder weniger ins Café, um uns die Arbeit von lächelnden Cappuccinos und frischer Minzlimonade versüßen zu lassen. Fünfzehn Minuten vor Abgabe habe ich meine Arbeit gestern erfolgreich eingereicht – und damit die erste Hürde der Prüfungsphase erfolgreich bewältigt.
Fröhlicher Cappuccino, fröhliche Hannah. <3
In der kommenden Woche stehen zwei weitere Klausuren an, auf die ich mich in den nächsten Tagen vorbereiten werde.
Zwischen Hochschule, Hausarbeit und Café Younes blieb wenig Zeit für Ausflüge – Allerdings waren Maxie und ich am vergangenen Freitag zum ersten Mal bei unserer neuen Klasse im Flüchtlingslager, um englische Lieder mit den fünf bis sechsjährigen zu singen.
In Deutschland habe ich nach verhältnismäßig leicht zu lernenden Liedern gesucht, die wir jetzt mit den Kindern üben.

Besonders viel Spaß macht den Kindern – und vor allem auch mir – die Musik, bei der Bewegung mit im Spiel ist. Neugierig beobachten die Kinder die Musikvideos, in denen ein Gorilla auf seiner Brust trommelt, ein Nilpferd mit den Ohren wackelt und Affen auf dem Bett hüpfen. Wenig später wackeln, hüpfen und trommeln auch wir. Das Wiederholen der Wörter und Bewegungen erfordert etwas Geduld, ist aber eine wirklich schöne Abwechslung zum Alltag an der Uni.
Es ist zu befürchten, dass sich auch die bevorstehende Woche vor allem zwischen Schreibtisch und Bibliotheks-Café abspielen wird. In der Zwischenzeit genieße ich den strahlend blauen Himmel, versuche mir in Erinnerung zu rufen, wie ich mich in den ersten drei Monaten mit dem Essen der Hochschulkantine arrangiert habe und freue mich auf die letzte Januarwoche – in der wir Ferien haben und einen Tagesausflug in die Berge planen, um Ski fahren zu gehen.
Zeit für neue Zedernwaldgeschichten im neuen Jahr!