Dienstag, 20. Juni 2017

Von Beirut bis nach Berlin.



Abschiedsgeschenke...
Nach nunmehr drei Wochen ist es Zeit, für die letzten Geschichten aus dem Zedernwald. Am letzten Tag im Mai setzte ich mich in den Bus, um meinen langjährigen Uni-Freund Paul vom Flughafen abzuholen. Die letzten zehn Tage waren einerseits Tage des Abschieds, und gleichzeitig boten sie mir Gelegenheit, Paul das kleine Land trotz der letzten Verpflichtungen so gut es ging zu zeigen.
Wir spazieren an der Corniche entlang und erkunden Downtown, trinken Bier und Martini im Captains und essen zu Mittag im 'Dawawine' in Gemmayzeh.
In den Stunden, in denen Paul sich alleine auf Streifzüge durch Beirut und das Land begibt, bleibt mir Zeit, Abschied zu nehmen von den Dozierenden der N.E.S.T und den Menschen, die uns sonst im Laufe der neun Monate begleitet haben. Gemeinsam mit Maxie verabschiede ich mich von Sylvia Haddad, der Leiterin der Organisation, die das Zentrum im palästinensischen Flüchtlingslager betreibt. Außerdem treffen wir uns mit Jonas, dem Pfarrer der deutschen Gemeinde und seiner Frau Chris auf eine letzte Minzlimonade.
Abschied vom Qadisha-Valley
Am ersten Juniwochenende lädt uns unsere Arabischlehrerin Samar zu einem ausgiebigen Abendessen mit Live-Musik im Café Em Nazih ein. Auch Paul und Feli, der Besuch von Maxie, sind mit von der Partie. Am Sonntag fahren wir zu viert in den Süden, um über die Souks von Saida zu spazieren und am Strand von Tyros in der Sonne zu entspannen. Als Feli bereits wenige Tage später nach Deutschland zurückkehrt, tut sie mir einen riesigen Gefallen: Weil sie kein Aufgabegepäck hat, aber welches gebucht hat, kann sie einen Karton voll mit Büchern und anderem Kram für mich in den Flieger nehmen und mir später mit der deutschen Post zuschicken. Das erspart mir jede Menge Stress und vor allem einen großen Haufen Geld.
Abschied vom Qadisha-Valley II
In der letzten Woche in Beirut bleibt mir nur noch der Arabischunterricht als fester Termin, der drei Mal in der Woche stattfindet. Zwischendurch fahren Paul und ich mit dem Bus ins Qadisha Valley, übernachten im zauberhaften Quzhaya Kloster und wandern am nächsten Morgen durch das beeindruckende Wadi. Mein letzter Ausflug vor meiner Abreise führt mich nach Byblos, die kleine touristisch geprägte Stadt am Meer, in der wir in einem verträumten Restaurant unter einem Blätterdach zu Abend essen.
Die Abreise naht. Ein letzter Drink in Hamra mit Maxie, bevor Paul und ich morgens um zwei ein Taxi zum Flughafen nehmen, um wenige Stunden später bereits in Athen zu landen.
Restaurant in Byblos
Wir haben Glück und landen außerplanmäßig eine halbe Stunde zu früh, was es uns möglich macht bereits den ersten Bus am Morgen in Richtung Albanien bis nach Durrës zu nehmen. Zwölf Stunden fahren wir durch die traumhaften Landschaften Griechenlands und Albaniens, schlafen hin und wieder und machen zwischendurch Halt in einer idyllischen Taverne.
Da unser Bus nicht im Zentrum, sondern nur am Rand von Durrës hält, und unser Busfahrer es nicht für nötig hält die Stationen auszurufen, fahren wir zunächst an unserem Ziel vorbei, weiter in Richtung Tirana. Paul bemerkt glücklicherweise irgendwann, dass wir längst zu weit gefahren sind und meldet unser Versehen dem Busfahrer. Wir steigen am Highway aus und überqueren die Straße, um einen Mini-Van zurück in die Stadt zu nehmen. Während wir warten, hält plötzlich ein älteres Ehepaar, und lädt uns kurzerhand in ihren
Busfahrt durch Albanien
Wagen. Da wir keine Anstalten gemacht hatten zu trampen, sind wir einigermaßen überrascht von der Hilfsbereitschaft des Paares, das praktisch kein Englisch spricht und offenbar aus der Ferne erkannte, dass wir etwas verloren in der Gegend standen. Der ältere Herr am Steuer wählte die Nummer seines Sohnes, der fließend Englisch sprach und übergab das Telefon an Paul. Mit Hilfe seiner Übersetzung landeten wir etwas später im Zentrum der Stadt.


Paul & Venus in Durrës

Zentrum von Durrës
Von dort war es die nächste Herausforderung, das Hostel für die Nacht zu finden. Ein zweites Mal trafen wir auf einen äußerst freundlichen Mann, der den Besitzer der Unterkunft anrief, bringen, während er nebenher seine Tochter auf dem Arm trug. Auf der Fahrt waren Pauls Sprachkenntnisse von großem Vorteil, dessen Französisch, Rumänisch und manchmal auch seine perfektionierte Hand-und-Fuß-Sprache immer wieder zum Einsatz kamen. Angekommen in Durrës spazierten wir eine Runde durch die kleine Stadt und beendeten die lange Reise durch drei Länder hundemüde mit Pizza und Pasta am Meer. Paul fuhr am kommenden Vormittag weiter nach Montenegro, während mir noch einige Stunden im Ort blieben, bevor ich mich auf die Fähre nach Triest begab. Ich nahm mir etwas Zeit um das Zentrum der Küstenstadt zu erkunden, und genoss außerdem den unlimitierten Internetzugang im
Auf der Fähre nach Triest
Hostel, der mir in den vergangenen Monaten meist verwehrt geblieben war.
um sich die Wegbeschreibung geben zu lassen. Kurzerhand beschloss er, uns bis zum Hostel zu
Auf der Fähre nach Triest begegneten mir bereits zu Beginn Florence und James, eine Belgierin und ein Amerikaner. Mit James verbrachte ich den Abend mehr oder weniger zufällig mit einer Flasche Wein und langen wie auch anstrengenden Diskussionen über amerikanische Politik, nachdem ich Florence aus den Augen verloren hatte. Nach einer windigen Nacht allein auf dem Deck traf ich sie am nächsten Morgen glücklicherweise wieder. 


Halt in Ancona

Spaziergang durch Triest
Gemeinsam verbrachten wir die verbleibenden Zeit auf dem Meer zwischen zahlreichen Lastwagenfahrern, die aber zum Großteil beim einzigen Halt in Ancona das Schiff verließen. Mit Crackern, Äpfeln und guten Gesprächen verging die Zeit auf dem Wasser wie im Flug. Ich liebe Fähre fahren, und wäre auch gern noch länger an Bord geblieben. In Triest gab ich mein Gepäck am Bahnhof ab, um das italienische Flair im Zentrum zu genießen, während ich mich in meinem reisetauglichen Outfit zwischen den fein gekleideten Italienern konstant underdressed fühlte. Nach einem Cappuccino und einem Mortadella-Panini ging es wenige Stunden später mit dem Bus nach Wien. Nachdem ich nach einer längeren Haltestationen-Suche letztlich mit etwas Glück doch noch pünktlich im Bus landete, nutzte ich die Fahrt über Slowenien für einen kleinen Mittagsschlaf. Angekommen in Wien ließ ich mein Gepäck erneut am Bahnhof, um mir ein österreichisches Abendbrot mit Bier, Linsengulasch und Knödeln in der Innenstadt zu gönnen. Ein zauberhafter Abschluss meiner Reise, in einer Stadt, in der ich mich sehr wohl gefühlt habe. Mit wenigen anderen Mitreisenden fahre ich durch die Nacht, und erreiche gegen halb neun am Morgen den Busbahnhof von Berlin. An dieser Stelle endet mein neunmonatiger Auslandsaufenthalt im Libanon und meine Reise von Beirut zurück in meine Heimatstadt.
Am Stephansdom in Wien
Ich danke allen Lesern und Leserinnen, die meine Geschichten aus dem Zedernwald in den letzten Monaten gelesen, und meinen Aufenthalt in Gedanken, E-Mails und Telefonaten begleitet haben. Die Zeit für Geschichten endet nie, jetzt aber kommen sie erst Mal wieder aus Deutschland.

Dienstag, 30. Mai 2017

Grenzgänger und Fischfänger.


Abschied im Captains - Die Attribute beziehen sich auf die Bar!
Der dritte Sonntag im Mai beginnt mit dem bereits angekündigten 'NEST'-Sunday, an dem Maxie, Clemens und ich unsere Beweggründe für ein Studienjahr im Libanon mit der protestantischen Gemeinde in der 'National Evangelical Church' im Herzen der Stadt teilen. Dr. Johnny, einer der Professoren unserer Hochschule, hält die Predigt auf Arabisch, und zwei syrische Studierende werden zur Bibellesung gebeten. Am Ende des Gottesdienstes ziehen wir gemeinsam mit dem Pfarrer aus der Kirche, um wenig später am Ausgang stehen zu bleiben und möglichst jedem Besucher die Hand zu schütteln und jedem einen guten Tag zu wünschen. Noch nie habe ich in so kurzer Zeit so vielen Menschen die Hand gegeben.
Eine ältere schmucke Dame kommt im Anschluss auf mich zu, und fragt mich nach den Gründen meines Aufenthalts. Offenbar hat sie im Gottesdienst die Information verpasst, dass ich hier studiere. Sie geht davon aus, ich sei hier, um als Freiwillige die syrischen Flüchtlinge im Land zu unterstützen, und scheint einigermaßen beruhigt, als ich ihre Befürchtung verneine. In Syrien, erklärt sie mir, gebe es ausreichend kriegsfreie Regionen, in denen man in Ruhe leben könne. Der einzige Grund weshalb die Syrer in den Libanon kämen, sei die zusätzliche Unterstützung durch NGOs und internationale Freiwillige aus aller Welt. Sie beklagt die Benachteiligung der ärmeren libanesischen Bevölkerung und ist sichtlich keine Freundin der Flüchtlingspolitik des Landes. Eine Position, auf die man auch hier immer wieder trifft.
Abschiedsfoto mit Lydia und unserem Arabischkurs
Der Abend steht im Zeichen des Abschieds von Lydia. Gemeinsam mit einer großen Gruppe N.E.S.T Studierender verbringen wir einen weiteren Abend im Captains, der wohl günstigsten und gemütlichsten Bar Hamras.
In der neuen Woche stelle ich im Ethik-Seminar meine Hausarbeit vor, und habe somit schlussendlich meine letzte Studienleistung erbracht. Am Nachmittag spaziere ich ins Orientinstitut, um das gut funktionierende Internet zu nutzen und mir die ein oder andere Sendung herunterzuladen. Wer mich kennt, der weiß um meine Leidenschaft für Rapperinterviews. Es ist wahrlich kein Zuckerschlecken, mit 6 GB Internet im Monat auf den ein oder anderen Interview-Diamanten verzichten zu müssen. Bushidos Promophase beginnt mit einem 2 ½ stündigen Interview, das ich mir aus dem Orientinstitut mitbringe und am Abend bei Wein, Popcorn und St. Charbel Kerzenlicht genieße.
Wein, Popcorn und St. Charbel
Am Abend darauf gehe ich mit ein paar Leuten der N.E.S.T in den Spieleladen, in dem man für wenig Geld Brettspiele spielen kann. Es ist der allerletzte Abend von Lydia, die ein Faible für Strategiespiele hat. Beim ersten Spiel muss man gut Lügen können – eine Fähigkeit die ich bedauerlicherweise nicht sonderlich beherrsche. Die zwei darauffolgenden Spiele aber gewinne ich mit etwas Glück beide – und so wird es ein für mich sehr erfolgreicher Abend. Maxie kommt etwas später hinzu, und wir lassen den Tag gemeinsam ausklingen.
Weil ich nach der Abgabe meiner Hausarbeit jede Menge freie Zeit habe, beginne ich bereits mit der Anfertigung einer Rede, die erst im Spätsommer zum Einsatz kommen wird: Im September heiratet meine herzallerliebste Schulfreundin Ine, deren Trauzeugin ich sein darf. Stundenlang versinke ich mit alter Musik aus früheren Zeiten auf dem Balkon, und verschwinde in Gedanken in meiner Schulzeit. Seit unglaublichen sechzehn (!) Jahren begleitet mich Ine bereits durch mein chaotisches Leben, und ich kann es kaum erwarten, zurück in Deutschland an den letzten Hochzeitsvorbereitungen beteiligt zu sein, und schließlich den großen Tag der Beiden zu begleiten.
Unsere Ethik-Klasse
Unsere Dozentin Dr. Rima hat mir auf Wunsch ganze elf Filme zum Thema 'Krieg und Libanon' zur Verfügung gestellt, und so nutze ich einige der kommenden Abende, um anstelle von Interviews oder Polit-Talkshows einige Spielfilme zu gucken. Darunter: Waltz with Bashir, Under the Bombs und Zaytoun.
Die Zeit an der N.E.S.T findet ihr deutliches Ende. Das macht sich auch daran bemerkbar, dass ich am Donnerstag Nachmittag die letzte Andacht meines Aufenthaltes besuche, in der unsere Kommilitonin Navina ein letztes Mal ein Lied auf Hindi mit uns singt, zu dem es eine ausgefeilte Choreographie gibt. Navina hat indische Wurzeln, und hat uns sowohl den Text als auch den Tanz über das Jahr verteilt Stück für Stück beigebracht.
Fossilien klopfen
Am Wochenende schließen wir uns der deutschen Botschaft auf einen Betriebsausflug in den Norden an. Ein Bekannter, dessen Ehefrau für die Botschaft arbeitet, hatte uns dazu eingeladen, und so standen wir in aller deutschen Pünktlichkeit fünf Minuten vor der verabredeten Zeit auf dem Mc Donalds Parkplatz kurz hinter Byblos. Von dort machen wir uns auf den weiteren Weg, um Fischfossilien 'auszugraben', bzw. 'auszuklopfen'. In einer Gegend, in der es offenbar überdurchschnittlich viele Fischfossilien gibt und die Chance äußerst hoch ist ein Fossil zu finden, begannen wir mit entsprechendem Werkzeug die Steine zu bearbeiten, um sie letztlich zu spalten und darauf zu hoffen, im Inneren auf ein Fossil zu stoßen. Tatsächlich waren letztlich vermutlich alle Teilnehmer erfolgreich, und so fuhren wir wenig später mit einem kleinen Zertifikat und unserer Ausbeute zurück nach Beirut.
Mein Fisch, angeblich 100 Millionen Jahre alt
Am Sonntag ging es auf eine weitere Tour in den Süden.
„Sindse in der U-Bahn jeborn oder warum könnse die Tür nich zumachen? Et zieht! Sie wissn schon, dass die Anschnalljurte hier nich nur zur alljemeinen Dekoration anjebracht sind? Wenn wir jetz anjehalten werden muss ick die Strafe zahlen, nich sie, und mit n bisschen Pech verlier ick ooch noch meenen Job!“
Ich sitze im Mini-Van von Beirut nach Saida, und bin mit meinen Gedanken in Berlin. Wäre unser Busfahrer Berliner, und kein Libanese, dann wären dies vermutlich die Kommentare gewesen, die die gesammelte Belegschaft des
Der südliche Libanon von der Burg Beaufort
Busses zu hören bekommen hätte. Aber ich bin nicht in Berlin, und unser Busfahrer ist sehr wohl Libanese – und somit interessiert es reichlich wenig, dass sich niemand anschnallt und die Tür des Busses noch sperrangelweit offen steht, als wir losfahren. Die Tür knallt auf der Fahrt selbstständig zu während der Busfahrer entspannt den Arm aus dem Fenster streckt, um den Fahrtwind zu spüren.
Bemerkenswert ist immer wieder die Aufmerksamkeit der Busfahrer und auch der Mitfahrenden, die häufig durch das Umsetzen von Fahrgästen ermöglichen, dass Maxie und
Stobbi im Libanon, hinter mir der südliche Nachbar
ich nebeneinander sitzen können, oder man einen Einzelplatz erhält. In diesem Fall fahre ich alleine nach Saida, um dort von Maxie und ihrem Besucher Phillip abgeholt zu werden.
Endlich nutzen wir die Gelegenheit, den letzten Checkpoint im Süden zu passieren und an die Grenze zum südlichen Nachbarn zu fahren. Mit einer Sondergenehmigung, die wir dank Kontakten an der Hochschule äußerst unkompliziert erhielten, ist es ein Leichtes von Saida bis an den Grenzort Kfar Kila zu kommen.
Sicherheitszone zwischen dem Libanon und seinem Nachbarn
Der Soldat am Checkpoint zeigte sich verhältnismäßig desinteressiert und ließ uns ohne große Kontrolle passieren, nachdem Maxie ihm die Nummer nannte, die uns als 'Passierschein' übermittelt wurde. Vor unserem Besuch am Grenzzaun besuchten wir außerdem die Burg Beaufort, die einst vom König von Jerusalem ausgebaut, und Anfang der 80er von der israelischen Armee besetzt wurde. Als wir die Burg besichtigen, die von außen wesentlich kleiner aussieht als sie tatsächlich ist, sind wir wieder einmal völlig allein in der historischen Stätte unterwegs. Als wir die Ruinen jedoch verlassen, kommt uns eine – vermutliche
Phillip, Maxie und die Burg Beaufort
amerikanische – Reisegruppe entgegen. Wenngleich noch immer verhältnismäßig wenige Touristen unterwegs sind, so merkt man dennoch, dass langsam die Sommersaison beginnt und immerhin etwas mehr Nicht-Libanesen im Land unterwegs sind als zuvor. Am Grenzzaun treffen wir auf indonesische Blauhelm-Soldaten, die fröhlich Fotos mit uns machen, und denen es ansonsten etwas langweilig zu sein scheint. Viel scheint hier nicht zu passieren, an der Grenze die durch einen schmalen Sicherheitsraum zwischen den zwei Ländern markiert ist, auf dem offenbar israelisches Militär regelmäßig Patrouille fährt.
Indonesische Blauhelmsoldaten & wir
Da uns Christian – der Kontakt zur Botschaft - dankenswerterweise am Vortag eine Route durch den Süden empfohlen hat, wissen wir in etwa wo sich ein schönes Restaurant in der Nähe befindet, das wir zum Abschluss unserer Tour anpeilen können.
Das Restaurant ist sehr idyllisch am Litani Fluss gelegen. Direkt gegenüber ragt ein Berg in die Höhe, auf dem der rostige Stacheldraht die Grenze markiert. Maxie und Phillip bringen mich in Tyros an die Busstation, von der ich zurück nach Beirut fahre, während die zwei noch eine Nacht im Süden bleiben. Den Abend lasse ich bei einer Minzlimonade mit Miriam aus Holland und meinem syrischen Kommilitonen Sleiman im Café Hassan am Meer ausklingen.
Restaurant am Litani Fluss
Die neue Woche startet mit einer Runde Arabischunterricht und einem Besuch im Kosmetikstudio. Nachdem ich vor vielen Jahren den libanesischen Film 'Caramel' das erste Mal sah, hatte ich mir fest vorgenommen eines Tages in Beirut einen libanesischen Schönheitssalon zu besuchen. Das Studio meiner Wahl entsprach leider nicht völlig dem Stil des Salons aus dem Film, in dem der neuste Klatsch und Tratsch der Stadt lebendig besprochen wurde. Dafür wurde mir die Kosmetikerin von Chris - der Frau des Pfarrers der deutschen Gemeinde - empfohlen, und so fiel meine Wahl auf den ruhigen Laden in Hamra. Die Kosmetikerin, die mir nahezu eine Stunde lang das Gesicht mit allerlei Wässerchen,
Auf einen Tee im Kosmetikstudio
Cremes und Peelings behandelte, sprach einwandfrei Deutsch, da sie ihre gesamte Ausbildung in Karlsruhe absolviert hatte. Ob sie letztlich wieder in den Libanon zurückwollte, frage ich sie. Sie bejaht und meint, Sonne und Meer wären eben doch ganz erstrebenswert. Wie Recht sie hat. Mit einer von jeglichen Mitessern befreiten Nase und dem Duft von Rose und Mango im Gesicht treffe ich am Abend mit Maxie in einem hübschen Café auf Leila. Die französische Doktorandin schreibt ihre anthropologische Dissertation über Freiwillige, die mit Flüchtlingen arbeiten (oder so ähnlich). Wir hatten sie im palästinensischen Flüchtlingslager bei der Feier zum Muttertag kennengelernt.
Aus irgendeinem Grund ging ich den gesamten Abend davon aus, unser Treffen würde aus Forschungszwecken stattfinden und sie sei daran interessiert ein Interview mit uns durchzuführen. Allerdings wartete ich vergeblich auf einen Fragenkatalog, weil ich offenbar verpasst hatte dass wir schlicht für eine entspannte gemeinsame Limo verabredet waren. Ein spannender Abend mit einer liberalen und offenen Muslima, die uns interessante Einblicke in ihr Leben in Frankreich und im Libanon gewähren konnte.
Mauerbemalung an der Grenze
Den heutigen Tag verbringe ich heute zum Großteil auf der Terrasse der N.E.S.T, auf der mein Studienjahr auch begann. In den ersten Monaten saß ich mehr oder weniger jeden Morgen mit Maxie an den weißen Plastiktischen, um in der September- und Oktobersonne Artikel für die Uni zu lesen und nebenbei einen Cappuccino zu schlürfen. Vor einigen Tagen hat der Monat Ramadan begonnen, was sich auf den Straßen deutlich bemerkbar macht: Viel weniger Menschen laufen durch die Straßen, der Geräuschpegel scheint ein wenig gesunken zu sein.
Morgen schon wird Paul (inshallah, sofern er nicht auf dem Weg auf Grund von maximaler Schusseligkeit sondergleichen verloren geht...) mich in Beirut besuchen kommen, und ich freue mich auf eine letzte Tour vor meiner Rückkehr. Noch in dieser Woche stehen uns einige Abschiede bevor. Eigentlich ging ich davon aus, in dieser Woche die Abschlussfeier des Kindergartens im
Mauerbemalung II
Flüchtlingslager zu besuchen – allerdings wurde mir vorhin mitgeteilt, dass dort die Masern und Mumps ausgebrochen sind, und die Feier deshalb abgesagt werden musste. Daher werde ich mich lediglich mit der Koordinatorin der Organisation treffen, um mich immerhin von ihr zu verabschieden. Außerdem planen wir eine kleine Geschenkübergabe an unsere Dozentin und Hauptorganisatorin Dr. Rima, sowie an den Präsidenten der Hochschule. Auf unserer letzten Tour in den Süden haben wir zwei kleine Bäume gekauft, die wir als symbolische Präsente zum Dank überreichen möchten. Weil es Beirut an Grün im Stadtbild mangelt und
Outdoor-Sport an der Grenze
auch unsere Schule eher grau als bunt ist, schienen die zwei Pflanzen eine gute Gelegenheit, metaphorische Wurzeln zu hinterlassen und außerdem den Anblick des Hofes ein wenig zu verschönern. Ich hoffe sie werden auch im nächsten Jahr noch blühen, und nicht wie ein Großteil der hiesigen Pflanzen auf Grund des übermäßig salzigen Grundwassers eingehen. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt, und so scheint es immerhin einen Versuch wert, der Schule damit ein Geschenk zu machen, das bleibend ist. 

Samstag, 20. Mai 2017

Schreibarbeit und Sonnenschein.


Während für Berlin Sonnenschein angesagt ist, hat in Beirut das Wetter beschlossen eine kleine Sommerpause einzulegen und stattdessen für Regen zu sorgen. Ein guter Tag, um die letzten Korrekturen an meiner Hausarbeit vorzunehmen, und nach drei Wochen endlich wieder einen neuen Blog zu schreiben.
Zwischen Recherchen und Schreibarbeit verbrachte ich – auf ein Neues - einen Großteil meiner Zeit in Bibliotheken und Cafés, um mich dem Fall um Elor Azaria und seinen ethischen Dimensionen zu widmen. Entstanden ist ein buntes Potpourri historischer Abhandlungen über das Thema 'Töten zur Selbstverteidigung', die ich mit meinen eigenen Gedanken ergänzt habe. Am kommenden Montag werde ich die Arbeit im Unterricht in einer kurzen Präsentation vorstellen – Die letzte Arbeitsleistung, die ich für die Hochschule erbringen muss. Danach beginnen die letzten drei Wochen, in denen ich mich schließlich vom Libanon verabschieden muss. Doch zurück zu den vergangenen Wochen..
Work work work work work...
Der April endete mit einem Ausflug nach Byblos, den Maxie, Miriam und ich antraten um eine kleine Buchmesse in der Altstadt zu besuchen. Die Messe entpuppte sich als noch viel kleiner als erwartet, und dennoch fand der ein oder andere Artikel seinen Weg in meinen Rucksack. Miriam ist eine holländische Theologiestudentin, die für lediglich acht Wochen im Land ist, um für ihre Masterarbeit zum Thema Flüchtlinge zu forschen.
Laternen gegen den Krieg




Bei Burger und Pommes genossen wir den gemütlichen Tag in der Sonne, bevor wir uns am frühen Abend auf den Rückweg nach Beirut machten, um dort an einer Veranstaltung der städtischen Initiative 'Beirutiyat' teilzunehmen. Am Meer wurden kleine leuchtende Papierballons in den Himmel steigen gelassen, um ein Zeichen für die libanesische Einheit zu setzen und um an die Schrecken des Bürgerkrieges zu erinnern. Während in Deutschland bei einer vergleichbaren Veranstaltung die Ballons vermutlich nur von professionellem Personal in die Lüfte gelassen werden dürften, hatte hier jede_r Gelegenheit, ein Licht mit Hilfe von freundlichen Ordnern steigen zu lassen. Wenngleich der ein oder andere Ballon nicht sofort seinen Weg in den Himmel fand und zunächst
Demo für die Hausangestellten
drohte, in kleine Menschengruppen zu fliegen, stiegen schlussendlich doch alle Lichter ohne größere Vorkommnisse nach oben.
Am nächsten Morgen begeben wir uns auf eine Demo, die
am Vortag des 1. Mais im Zeichen der Hausangestellten steht. Sie kommen meist aus Äthiopien, Eritrea oder von den Philippinen und gehören in wohlhabenden Familien zum 'Standard'. Die Arbeits- und Lebensbedingungen allerdings sind meist miserabel, Rechte so gut wie nicht vorhanden. Also solidarisieren wir uns für einige Stunden, bevor wir am Meer zurück nach Hamra spazieren.
Nach einer lernintensiven Woche leiten Maxie und ich das Wochenende mit einem Abend im Mezyan ein, einem Restaurant in dem am Wochenende zu später Stunde meist irgendwann
Entspannen am Strand von Tyros.

zu arabischer Musik auf den Tischen getanzt wird. Am Sonntag fahren wir außerdem in den Süden nach Tyros. Nach ein paar Stunden Unikram bei Dunkin' Donuts mit Blick aufs Meer legen wir uns wenig später noch eine Weile an den Strand.
In der zweiten Woche halten Maxie und ich eine Andacht zum Thema Rechtspopulismus, hören einen spannenden Vortrag über Palliativmedizin im Ethik-Seminar und sehen den spannenden ägyptischen Film 'Mawlana' im Kino.
Das Wochenende beginnt mit einem gemütlichen Abend mit der N.E.S.T Community im 'Soul-Café', das im Gemeinschaftsraum des Hauses stattfindet. Es wird gesungen, getrommelt und erzählt. Clemens spielt ein improvisiertes Lied über den Studienalltag auf dem Klavier, ich lese eine der wenigen Geschichten, die ich je auf Englisch geschrieben habe und Nina, die aus Neuseeland kommt, bringt uns ein Lied auf Maori bei.
Enfeh
Nachdem wir zu Beginn unseres Studienjahres zum 'Spiritual Retreat' für ein Wochenende in das malerische Dorf Douma fuhren, gibt es auch zum Ende des Jahres einen kurzen Ausflug mit der Hochschulgemeinschaft. Am frühen Samstagmorgen fahren wir mit dem Bus nach 'Enfeh'. Maxie geht es bereits am Morgen kreislauftechnisch eher mäßig, und nach einer dreiviertel Stunde Fahrt beschließt sie kurzerhand wieder auszusteigen und nach Beirut zurückzufahren.
Enfeh ist ein kleiner Küstenort in der Nähe von Tripoli, in dem es sich ein bisschen anfühlt wie in Griechenland. Weiße kleine Häuser mit blauen Türen und Fensterrahmen stehen am Wasser, roter Mohn blüht auf den Wiesen, die Sonne strahlt pausenlos. Wir spazieren durch den Ort, in dem – wie man mir versichert – ausschließlich Christen leben, besuchen
Enfeh II
Kirchen und Klöster und singen gemeinsam ein paar Lieder. Eine gute Gelegenheit, inmitten der Hausarbeitenphase eine kleine Pause einzulegen. Den Abend lassen Maxie – der es mittlerweile wieder gut geht – und ich bei einem Barbecue auf einem Dach irgendwo in Ashrafiyeh ausklingen.
Auch in der vergangenen Woche habe ich einen Großteil der Zeit mit meiner Hausarbeit verbracht. Am vergangenen Donnerstag hielten Maxie und ich unsere letzte Andacht, die wir mit einem kleinen Jahresrückblick und einerTanzeinlage verbanden: Eines der Lieder, das  wir regelmäßig mit den Kindern im Flüchtlingslieder singen und tanzen ist der „Pinocchio-Tanz“. Um unsere Kommilitonen auch an diesem Ausschnitt unseres Alltags im Libanon teilhaben zu lassen, luden wir auch sie in der Andacht dazu ein, gemeinsam mit uns zu tanzen.
Ursprünglich war für heute ein Ausflug in die Stadt Zahle in der Bekaa-Ebene geplant, der allerdings wegen des Regens nicht zustande kam. Morgen werde ich mich mit einer Gruppe von N.E.S.T Studierenden zum sogenannten N.E.S.T-Sunday in eine Kirche in der
Klosterfenster irgendwo bei Enfeh
Innenstadt begeben, um dort einige meiner Erfahrungen des Studienjahres zu teilen. Der „N.E.S.T-Sunday“ findet an mehreren Sonntagen statt und soll jeweils kleinen Gruppen von Studierenden die Möglichkeit geben, in verschiedenen Kirchen von der
Lernen mit Kaffee und Rüblikuchen..
Hochschule zu erzählen und für sie zu werben. Außerdem steht morgen bereits das letzte Abschiedsbier mit Lydia auf dem Programm, da sie bereits am kommenden Mittwoch nach Deutschland zurückfliegen wird. Die Zeit rennt, und ich weiß nach wie vor nicht wo es mich hinführt, allerdings habe ich mittlerweile immerhin eine Route für meine Rückreise geplant:In den letzten zehn Tagen wird mich mein guter Freund Paul besuchen kommen, mit dem ich gemeinsam nach Athen fliegen werde. Von dort werden wir – wenn alles klappt wie ich mir das vorstelle - bereits in den frühen Morgenstunden einen Bus nach Dürres in Albanien nehmen. Dort werden wir eine Nacht bleiben und
Abschied von Lydia. <3
am nächsten Tag hoffentlich Zeit finden, die Stadt ein wenig zu erkunden. Am Abend darauf werde ich mit der Fähre sechsunddreißig Stunden nach Triest in Italien fahren. Auf den Teil der Reise freue ich mich am meisten. Als ich vor drei Jahren eine vergleichbare Rückreise auf dem Landweg antrat, gefiel mir die Fährenfahrt von Patras nach Venedig so gut, dass ich mir fest vorgenommen hatte bald wieder einige Sommertage auf dem Wasser zu verbringen. Von Triest werde ich mit dem Bus über Wien zurück nach Berlin fahren. Ich bin sehr gespannt auf die Reise, und freue mich vor allem, nicht bereits nach vier Stunden Flugzeit wieder in Berlin zu landen. Jetzt aber bin ich zunächst glücklich, heute meine letzte schriftliche Studienleistung für das Jahr im Libanon erfolgreich hinter mich gebracht zu haben, und freue mich sehr auf die letzten drei Wochen in diesem Land, das mir in den letzten Monaten ein zu Hause gewesen ist.

Donnerstag, 27. April 2017

Osterferien im Libanon.


Endlich Ferien!
Nach einer letzten Minzlimonade hat sich Jan mit dem Auto auf den Weg zum Flughafen gemacht, um zurück in den Norden Deutschlands zu kehren. Zwei ereignisreiche Osterferienwochen liegen hinter mir. Mit meiner Rückkehr in den Beiruter Alltag endet nun auch die dreiwöchige Blog-Pause.
In den Tagen vor Jans Ankunft bin ich vornehmlich mit einem kurzen Essay und einer Klausur für die Uni beschäftigt. Dazwischen liegt außerdem ein kurzer Ausflug in das Begegnungszentrum 'Dar as-Salam', in dem ich mich gemeinsam mit meinem Kommilitonen Clemens einen Tag lang der Betreuung von fünf Kindern widme. Unter Leitung der
Kinderbetreuung
deutschen Gemeinde in Beirut findet dort ein Treffen der deutschen Pastoren statt, die in Gemeinden im Nahen Osten tätig sind. Für einen Tag übernehmen Maxie und Lydia die Kinderbespaßung, den zweiten Tag sind wir dran. Wir bemalen Ostereier, spielen Raumschiff-Expedition und 'Militär', und ich darf regelmäßig als Pferd durch den Garten galoppieren und die tobenden Piraten und Weltraumforscher auf meinem Rücken transportieren. Ein anstrengender und dennoch schöner Tag, der für eine gelungene Alltagsabwechslung sorgt. Während unseres Aufenthalts begegnet mir Torsten, ein junger Pfarrer der derzeit in Jerusalem tätig ist. Nachdem er mich mehrmals bittet, ihm am Wochenende die Stadt zu zeigen, nehme ich mir letztlich einige Stunden Zeit, um mit ihm durch die verlassene
Urlaub im Auto
Baalbek
Altstadt und das Ausgehviertel Gemmayzeh zu spazieren, und zwischendurch das Sursock-Museum zu besichtigen. Außerdem ist in der ersten Aprilwoche meine Schulfreundin Rike im Land, mit der ich mehrere Abende mit langen Gesprächen und gutem Essen verbringe. Bis endlich das Wiedersehen mit Jan ansteht, den ich zuletzt im Januar bei meinem Besuch in Deutschland gesehen hatte. Mit meinem großen roten Koffer, Wasserkocher und allerlei Krimskrams verlasse ich für zwei Wochen die N.E.S.T, und ziehe zunächst in ein kleines Apartment im östlichen Stadtteil Ashrafiyeh, in dem ich gemeinsam mit Jan unterkommen kann. In den ersten Tagen habe ich noch einige Uni-Angelegenheiten zu klären: Eine Klausur, Arabischunterricht und ein österlicher Gottesdienst im Rahmen der Hochschule stehen auf dem Programm, bevor wir Zeit finden um Beirut zu verlassen und gemeinsam mit Maxie und ihren Freunden Lena und Arian das Land zu bereisen. So beginnt der Urlaub entspannt mit ein paar Spaziergängen durch die Stadt, mehreren Kinobesuchen und einem kleinen Ausflug in die Jeita-Grotte.
1962 vs. 2017
Bereits am Wochenende steht der erste größere Ausflug an, der uns in die Bekaa-Ebene nach Baalbek führt. Während Lydia und Maxie die Stätte bereits auf einem früheren Ausflug besichtigt hatten, bietet sich mir das erste Mal Gelegenheit, die beeindruckenden Bauten zu bestaunen. Nachdem mein Vater bereits auf einer Busreise von Deutschland nach Jerusalem im Jahr 1962 einen Zwischenstopp in Baalbek einlegte, habe ich nun die Möglichkeit, eine seiner alten Fotografien am Originalschauplatz nachzustellen. In der Nacht zum Ostersonntag machen sich Lydia, ihr Freund Christian, Jan und ich auf den Weg durch Beirut, um einen orthodoxen Osternachtsgottesdienst ausfindig zu machen.
Batroun
Bei unserem Streifzug durch die Stadt soll sich allerdings herausstellen, dass lediglich die maronitischen Kirchen einen Mitternachtsgottesdienst anboten. Also lassen wir uns nach mehreren Versuchen letztlich in der großen maronitischen Saint Georges Kirche nieder, um die Prozession zu beobachten. Die kommenden zwei Tage genießen Jan und ich die Zweisamkeit bei Kaffee am Meer in der Sonne, bevor wir uns auf unsere Fahrt durchs Land machen. Maxie, Lena und Arian holen uns am Dienstagmorgen mit dem kleinen Auto ab, in dem uns Maxie in den kommenden Tagen über die holprigen Straßen kutschiert. Wir beginnen mit einem späten Frühstück in der kleinen Küstenstadt Batroun. Jan und Arian können es sich nicht nehmen lassen, von einer kleinen Brücke ins türkisblaue Meer zu springen, das uns von allen Seiten anzulächeln
Wanderung durchs Qadisha-Valley
scheint. Ein malerischer Ort, den wir wenig später erneut von oben betrachten, als wir wie vor einigen Wochen das leerstehende und unfertige 'Meeresinstitut' besteigen, um den Blick über die Dächer zu genießen. Wir fahren weiter nach Bsharre, den Herkunftsort des Dichters Khalil Gibran, in dem wir die kommenden zwei Nächte in einem kleinen Motel in einem Fünferzimmer unterkommen. Von dort machen wir einen kleinen Spaziergang durch ein Zedernreservat, und eine große Wanderung durch das zauberhafte Qadisha Tal. Auf den Bergen liegt im Norden noch Schnee, die Wasserfälle plätschern fröhlich und der Frühling sorgt für angenehme Temperaturen.
Auf der Weiterfahrt in den Süden machen wir
in der Nähe der Jeita-Grotte Halt, um die 'Hall of Fame' zu besuchen: Ein Wachsmuseum mit
Hassan Nasrallah und Bill Clinton aus Wachs
prominenten Figuren, die sich dank moderner Technik nicht nur bewegen sondern auch sprechen und singen. Ein bizarrer Anblick, den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah neben den ehemaligen U.S Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush in einem Raum vereint anzutreffen. Im südlichen Tyros beziehen wir eine geräumige Air'bnb Wohnung mit Blick aufs Meer. Lydia und ihr Freund Christian stoßen am Abend zu uns, und wir beenden den fahrtintensiven Tag mit dem Kartenspiel 'Wizard' und einem Bier an der Küste. Der
Besuch im Hisbollah-Museum
kommende Morgen führt uns erneut ins Hisbollah-Museum, bevor wir an den Strand von Tyros fahren, und den Rest des Tages in der Sonne genießen. Jan und Arian finden am Strand Verbündete zum Fußball spielen, während ich eifrig Muscheln sammle und Maxie und Lena eine kleine Selfie-Reihe machen. Auch am kommenden Tag kehren wir bei 32 Grad an den Strand zurück, doch trotz der Hitze lässt es sich an diesem Tag nur kurz am Meer aushalten, weil der Wind den Sand mit aller Kraft durch die Lüfte wirbeln lässt.
Am Strand von Tyros
Unglücklicherweise kollidiert mein Zeh kurz vor der Weiterfahrt mit einem Stein, und während Arian die eigentlich kleine Wunde professionell verarztet, falle ich bereits zum zweiten Mal im Laufe der letzten Monate in Ohnmacht. Blut sehen war leider noch nie meine Stärke. Für eine Falafel und einen Kurzbesuch der alten Souks machen wir Halt in Saida, bevor wir am Abend nach fünf Tagen nach Beirut zurückkehren. Nach einer kurzen Pause und unserem wiederholten Check-In in unserem Air'bnb in Ashrafiyeh beenden wir die gemeinsame Reise mit einem Bier in Mar
Bier in Mar Mikhael
Mikhael. Nachdem Jan und ich uns am kommenden Tag von der Reise erholen und das Haus lediglich für einen kurzen Einkauf verlassen, beschließen wir kurzerhand für die letzten Tage seines Aufenthaltes erneut ein Auto zu mieten. Die Benzin- und Mietautopreise sind günstig, und der Wagen macht uns im Land wesentlich flexibler. Am Montag beginnen wir unsere zweite Tour mit einem Frühstück auf den Ruinen des Tempels von Eshmun, einer alten Stätte der Phönizier. Wir sind – wie so oft – die einzigen Touristen und spazieren mit meinem Reiseführer von 1998 durch die Anlage, der uns Auskunft über die Geschichte des Ortes gibt. Im Anschluss
Tempel von Eshmun
fahren wir erneut in den Süden, um die Wasserfälle von Jezzine zu besichtigen und eine unfertige Kirche zu besuchen. Zwischen Müll und Wasserfall klettern wir über die Steine, und bestaunen den Ausblick auf die Berge. Mit dem Film 'Oceans 11' und Pasta mit Champignon-Tomaten-Sojasahnesoße geht der Tag friedlich zu Ende. Unser letzter Ausflug führt Jan und mich in das Shouf-Gebirge, das vornehmlich von Drusen und Maroniten bewohnt wird. Dort führt uns Google maps über Umwege durch das Gebirge nach Deir al-Qamar, eine kleine maronitisch geprägte Stadt, in der wir unter anderem eine leerstehende Synagoge besichtigen. Auf dem Weg in das ehemalige Gotteshaus werden wir von einer freundlichen Dame angesprochen, die uns die Synagoge zeigen möchte und uns wenig später auf einen Kaffee in ihr Haus einlädt. Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie in einem alten
Ehemalige Synagoge in Deir al-Qamar
Kirchgebäude. Als wir das Gebäude betreten, treffen wir auf eine weitere Reisegruppe junger Tänzer, die ebenfalls von dem freundlichen Paar eingeladen wurden. Eine gute Gelegenheit, ein wenig Arabisch zu hören und zu sprechen und außerdem selbstgemachtes Rosenwasser und Apfelsaft aus der hauseigenen Produktion zu erwerben.
Nach meinem dritten Glas türkischem Kaffee
Palast von Beit Eddine
brechen wir auf, um den Palast von Beit Eddine zu besuchen, der nur wenige Kilometer vom Ort entfernt liegt. Ein prächtiger Bau, in dem es viele Ornamente, Farben und Formen zu entdecken gibt. Zuletzt steht ein erneuter Besuch in Bakata an, einem kleinen drusischen Ort in der Nähe. Dort befindet sich der mystisch angehauchte drusische Friedhof, den Maxie und ich bereits vor einigen Monaten besichtigen konnten. Wie beim letzten Mal gehe ich in den gegenüberliegenden Friseursalon, um nach dem Schlüssel für das Areal zu fragen. Bedauerlicherweise ist der Chef des Ladens nicht anwesend, und so werden wir zunächst auf den kommenden Tag vertröstet. Da Jan am nächsten Tag jedoch
Auf dem drusischen Friedhof
bereits abreisen muss, laufen wir eine Weile um den abgesperrten Friedhof herum, um immerhin von Außen ein paar Symbole und Elemente zu entdecken. Wir stellen uns bereits auf die Rückfahrt nach Beirut ein, als Jan in einem kleinen Geschäft auf der Suche nach Briefmarken durch einen Zufall auf den Chef des Friseursalons trifft. Dieser hatte mich beim Betreten des Ladens sofort erkannt, und ließ es sich nicht nehmen, uns in Windeseile den Schlüssel zu organisieren, und mit uns über den Friedhof zu laufen. Jan war von der Symbolik und dem mystischen Grundkonzept der Anlage beeindruckt, und so wurde der letztlich überraschende Besuch wohl zu einem kleinen finalen Highlight.
Gestern begann für mich erneut der Alltag an der Uni, und Jan begleitete mich am Morgen in den Ethik-Kurs, bevor er mit dem Mietauto zum Flughafen fuhr und letztlich sicher in Deutschland landete. Eigentlich war der Plan, meinen Blog bereits gestern fertig zu schreiben – allerdings kam mir ein Besuch mit Lydia im Emergency Room dazwischen, die auf Grund einer verschleppten Blasenentzündung letztlich für einige Stunden mit Antibiotika am Tropf hing. Jetzt scheint es aber glücklicherweise wieder bergauf zu gehen. Der heutige Morgen
Sea-Castell von Saida
begann mit dem üblichen Arab-Israeli-Conflict Seminar an der AUB und mit einem unüblichen Gast: Der deutsche Botschafter des Libanons war anwesend, um einen Abriss über die politische Haltung Deutschlands gegenüber Israel und Palästina zu geben. Eine spannende Abwechslung zum gängigen Unterricht. Bedauerlicherweise findet in der kommenden Woche bereits die letzte Sitzung des Seminars statt. Nur noch wenige Wochen liegen zwischen mir und meiner Rückkehr, und noch immer ist einigermaßen unklar, wo es mich im Anschluss hinführen wird. In den nächsten Wochen werde ich mich neben dem Arabischunterricht vor allem mit einer Hausarbeit im Ethik-Seminar befassen. Das Thema steht noch nicht fest, mittlerweile habe ich aber immerhin eine gute Idee. Ich freue mich auf die letzten Wochen im libanesischen Alltag, und werde von Tag zu Tag gespannter auf meine noch ungewisse Zukunft in Deutschland.