Maxie im Wunderland |
Immer wieder sticht mir
bei Hausbesuchen der libanesische Einrichtungsstil ins Auge: Auch im
Süden stoße ich auf einen Hauch von Kitsch, gepaart mit
altmodischen Möbeln und mindestens einer Tüte zu viel
Dekorationsartikeln. Aber Schönheit liegt bekanntermaßen im Auge
des Betrachters. Nach einer kurzen Pause verlassen wir das Haus, das
die Familie lediglich als Wochenend- und Ferienresidenz nutzt. Wir
fahren weiter und verfolgen den Plan, wenig später die südliche
Landesgrenze zu erreichen. Da unser Fahrer allerdings unter Zeitdruck
steht, schaffen wir es nur bis nach Nabatiye. Unser Ausflug erinnert
mich an einen Trip durch den Great-Smoky-Mountains-Nationalpark in
den U.S.A, den ich trotz atemberaubender Natur zum Großteil im Auto
verbrachte. Zeitdruck und eine Prise Planlosigkeit führen dazu, dass
wir auch auf dieser Reise die meiste Zeit auf vier Rädern unterwegs
sind. Wir verschaffen uns einen ersten Eindruck von Nabatiye aus den
Fenstern des Wagens, und fahren wenig später nach Tyros, um an der
Küste zu spazieren und Mittag zu essen.
Tyros |
Am nächsten Morgen steht
nach langer Pause eine weitere Andacht an, die ich gemeinsam mit
Maxie vorbereitet habe. Weil Mittwochs meist weniger gepredigt und
mehr gesungen wird, stehen die zwanzig Minuten im Zeichen der Musik.
Den Rest des Tages
verbringe ich in der Bibliothek, um damit zu beginnen, meine
Buchrezension zu schreiben.
Libanesische Kabelbruchlösungen |
Weil mein Netzkabel spontan beschloss
durchzubrechen, bin ich für eine Weile auf einen anderen Computer
angewiesen und somit an die vier Wände der Hochschule gebunden. Weil
125 Dollar für ein neues Kabel 125 Dollar zu viel sind, liegt die
beschädigte Stromzufuhr bei Toni, den ich darum gebeten habe eine
Lösung zu finden. Toni, das ist der Besitzer des kleinen
Elektroladens, der sich gleich um die Ecke befindet. Als das
reparierte Stück am Abend zur Abholung bereits steht, erzählt mir
der Verkäufer den ein oder anderen Schwank aus seinem Leben. Er
berichtet von seiner Ehe mit einer Frau aus Hamburg Ende der 70er,
schwärmt von einer Kirche irgendwo in der Nähe von Köln und
schimpft über den Verfall der libanesischen Währung. Nach einem
kurzen Exkurs über die Gemeinsamkeiten von Kölsch und dem
libanesischen Bier Almaza verabschieden wir uns mit einem 'Tschüss'.
Neben den üblichen
Seminaren und dem wöchentlichen Besuch im Flüchtlingslager stand in
der letzten Woche die Arbeit an der Buchzusammenfassung im
Vordergrund. Gestern Abend habe ich das zehnseitige Dokument
erfolgreich abgeschickt und somit immerhin die erste schriftliche
Aufgabenstellung des Sommersemesters hinter mir.
Nachdem es im vergangenen
Semester wöchentlich die Möglichkeit gab, in der 'Art Lounge' zu
basteln und zu malen, wird nun ein neues Programm an der Hochschule
geboten: Jeden Donnerstag gibt es seit letzter Woche die Möglichkeit,
im Drama Workshop die Grundlagen und Möglichkeiten des Theaters
kennenzulernen. Im Vordergrund stehen keine großen Stücke, sondern
eher kurze Sequenzen, Sprechtechnik und Körpergefühl. Im
überdimensionierten Auditorium, das viel zu selten genutzt wird,
setzen wir uns in der ersten Woche mit Bewegung und unserer Position
auf der Bühne auseinander. Eine gute Gelegenheit, auch ohne die sich
wiederholenden Gespräche am Abendbrottisch miteinander in Kontakt zu
kommen – Ich bin gespannt auf die kommenden Sitzungen in den
nächsten Wochen.
Zeit für neue Post! |
Auch am Wochenende
verbringe ich einen Großteil meiner Zeit in Cafés und Bibliotheken,
am Samstagabend aber machen es sich Maxie und ich bereits zum dritten
Mal mit Harry Potter und Mikrowellenpopcorn gemütlich, um den
zweiten Teil der Filmreihe anzusehen. Bei einem kleinen
Shoppingausflug durch Hamra bin ich nicht nur bei einem
American-Eagle-Einkauf endlich erfolgreich, sondern entdecke auch die
Möglichkeiten einer kleinen Parfümerie, in der man sich seinen
eigenen Duft zusammenstellen kann. Neugierig und etwas zurückhaltend
betreten Maxie und ich den Laden, in dem zahlreiche leere Flacons
ausgestellt werden. Maxie erklärt dem syrischen Verkäufer, dass wir
uns auf der Suche nach einem Waschmittelduft befinden – bevor uns
der freundliche Mann wenige Sekunden später einen goldene Flasche
öffnet, und strahlend zum Geruchstest einlädt. Sein erster Griff
ins Regal war ein ziemlicher Volltreffer – uns zieht ein Duft in
die Nase, der tatsächlich an ein starkes Waschmittel erinnert.
Womöglich gar ein bisschen zu stark, und eine Prise zu zitruslastig.
Also testen wir uns von Flasche zu Flasche, bis sich jede von uns
eine eigene Kombination zusammenstellt und für wenig Geld als Duftöl-Roller mit nach Hause nimmt.
Der Geruch von frischer Wäsche aus dem Duftroller |
Die neue Woche beginnt
mit den üblichen Kursen und einem Erdbeermarmeladencrêpe mit einer
Kaffeebekanntschaft von Maxie.
Am kommenden Wochenende
steht im Rahmen des Kurses zum Thema der muslimisch-christlichen
Beziehungen ein Treffen mit muslimischen Studierenden auf dem Plan.
Außerdem werden wir gemeinsam mit der Hochschule nach Tripoli
fahren, um an einem Gottesdienst teilzunehmen, in dem die erste Frau
in der protestantischen Kirche des Nahen Ostens offiziell ordiniert
wird.
Ob ich eines Tages
ebenfalls ordiniert werde, bleibt nach wie vor offen. Toni, der
Verkäufer im Elektroladen, konnte sich das nicht so recht
vorstellen. „Darfst du dann mal heiraten?“, fragt er mich. Ich
nicke. Als er erfährt, dass mein Vater ebenfalls Pfarrer ist, und
nach seiner Ehe zwischenzeitlich eine andere Frau hatte, ist Toni
erstaunt. „Was für ein unartiger Pfarrer!“, sagt er und grinst
schelmisch. „Well.. Welcome to Protestantism“, antworte ich und
blicke auf die vielen kleinen Heiligenbildchen, die sich in seinem
vollgestopften Laden befinden.
Wohin mich mein Weg
letztlich führt, bleibt offen. Eine Option hat sich im Laufe des
heutigen Tages jedenfalls aus der Liste der Möglichkeiten
eliminiert: Das Volontariat beim NDR, für das ich mich vor einigen
Monaten beworben habe, kommt nach einer Absage, die bereits vor einem
Monat fälschlicherweise im Spam-Ordner landete, nicht länger in
Frage.
Vielleicht werde ich mich
trotzdem in den hohen Norden aufmachen, um dort mein Studium
fortzuführen und näher bei Jan zu sein. Oder aber es ergibt sich
ein Grund und eine Möglichkeit, in meine kleine Wohnung nach Berlin
zurückzukehren. Es bleibt spannend.
PS: Maxie hat in Kooperation mit der ARD eine Kurzdoku über ihr Auslandsstudium gedreht. Wer den Link noch nicht via Facebook erhalten hat, findet das Projekt hier (7 Sekunden Stobbi inklusive).
[Musikalische Titelerläuterungen]:
PS: Maxie hat in Kooperation mit der ARD eine Kurzdoku über ihr Auslandsstudium gedreht. Wer den Link noch nicht via Facebook erhalten hat, findet das Projekt hier (7 Sekunden Stobbi inklusive).
[Musikalische Titelerläuterungen]:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen