Donnerstag, 27. April 2017

Osterferien im Libanon.


Endlich Ferien!
Nach einer letzten Minzlimonade hat sich Jan mit dem Auto auf den Weg zum Flughafen gemacht, um zurück in den Norden Deutschlands zu kehren. Zwei ereignisreiche Osterferienwochen liegen hinter mir. Mit meiner Rückkehr in den Beiruter Alltag endet nun auch die dreiwöchige Blog-Pause.
In den Tagen vor Jans Ankunft bin ich vornehmlich mit einem kurzen Essay und einer Klausur für die Uni beschäftigt. Dazwischen liegt außerdem ein kurzer Ausflug in das Begegnungszentrum 'Dar as-Salam', in dem ich mich gemeinsam mit meinem Kommilitonen Clemens einen Tag lang der Betreuung von fünf Kindern widme. Unter Leitung der
Kinderbetreuung
deutschen Gemeinde in Beirut findet dort ein Treffen der deutschen Pastoren statt, die in Gemeinden im Nahen Osten tätig sind. Für einen Tag übernehmen Maxie und Lydia die Kinderbespaßung, den zweiten Tag sind wir dran. Wir bemalen Ostereier, spielen Raumschiff-Expedition und 'Militär', und ich darf regelmäßig als Pferd durch den Garten galoppieren und die tobenden Piraten und Weltraumforscher auf meinem Rücken transportieren. Ein anstrengender und dennoch schöner Tag, der für eine gelungene Alltagsabwechslung sorgt. Während unseres Aufenthalts begegnet mir Torsten, ein junger Pfarrer der derzeit in Jerusalem tätig ist. Nachdem er mich mehrmals bittet, ihm am Wochenende die Stadt zu zeigen, nehme ich mir letztlich einige Stunden Zeit, um mit ihm durch die verlassene
Urlaub im Auto
Baalbek
Altstadt und das Ausgehviertel Gemmayzeh zu spazieren, und zwischendurch das Sursock-Museum zu besichtigen. Außerdem ist in der ersten Aprilwoche meine Schulfreundin Rike im Land, mit der ich mehrere Abende mit langen Gesprächen und gutem Essen verbringe. Bis endlich das Wiedersehen mit Jan ansteht, den ich zuletzt im Januar bei meinem Besuch in Deutschland gesehen hatte. Mit meinem großen roten Koffer, Wasserkocher und allerlei Krimskrams verlasse ich für zwei Wochen die N.E.S.T, und ziehe zunächst in ein kleines Apartment im östlichen Stadtteil Ashrafiyeh, in dem ich gemeinsam mit Jan unterkommen kann. In den ersten Tagen habe ich noch einige Uni-Angelegenheiten zu klären: Eine Klausur, Arabischunterricht und ein österlicher Gottesdienst im Rahmen der Hochschule stehen auf dem Programm, bevor wir Zeit finden um Beirut zu verlassen und gemeinsam mit Maxie und ihren Freunden Lena und Arian das Land zu bereisen. So beginnt der Urlaub entspannt mit ein paar Spaziergängen durch die Stadt, mehreren Kinobesuchen und einem kleinen Ausflug in die Jeita-Grotte.
1962 vs. 2017
Bereits am Wochenende steht der erste größere Ausflug an, der uns in die Bekaa-Ebene nach Baalbek führt. Während Lydia und Maxie die Stätte bereits auf einem früheren Ausflug besichtigt hatten, bietet sich mir das erste Mal Gelegenheit, die beeindruckenden Bauten zu bestaunen. Nachdem mein Vater bereits auf einer Busreise von Deutschland nach Jerusalem im Jahr 1962 einen Zwischenstopp in Baalbek einlegte, habe ich nun die Möglichkeit, eine seiner alten Fotografien am Originalschauplatz nachzustellen. In der Nacht zum Ostersonntag machen sich Lydia, ihr Freund Christian, Jan und ich auf den Weg durch Beirut, um einen orthodoxen Osternachtsgottesdienst ausfindig zu machen.
Batroun
Bei unserem Streifzug durch die Stadt soll sich allerdings herausstellen, dass lediglich die maronitischen Kirchen einen Mitternachtsgottesdienst anboten. Also lassen wir uns nach mehreren Versuchen letztlich in der großen maronitischen Saint Georges Kirche nieder, um die Prozession zu beobachten. Die kommenden zwei Tage genießen Jan und ich die Zweisamkeit bei Kaffee am Meer in der Sonne, bevor wir uns auf unsere Fahrt durchs Land machen. Maxie, Lena und Arian holen uns am Dienstagmorgen mit dem kleinen Auto ab, in dem uns Maxie in den kommenden Tagen über die holprigen Straßen kutschiert. Wir beginnen mit einem späten Frühstück in der kleinen Küstenstadt Batroun. Jan und Arian können es sich nicht nehmen lassen, von einer kleinen Brücke ins türkisblaue Meer zu springen, das uns von allen Seiten anzulächeln
Wanderung durchs Qadisha-Valley
scheint. Ein malerischer Ort, den wir wenig später erneut von oben betrachten, als wir wie vor einigen Wochen das leerstehende und unfertige 'Meeresinstitut' besteigen, um den Blick über die Dächer zu genießen. Wir fahren weiter nach Bsharre, den Herkunftsort des Dichters Khalil Gibran, in dem wir die kommenden zwei Nächte in einem kleinen Motel in einem Fünferzimmer unterkommen. Von dort machen wir einen kleinen Spaziergang durch ein Zedernreservat, und eine große Wanderung durch das zauberhafte Qadisha Tal. Auf den Bergen liegt im Norden noch Schnee, die Wasserfälle plätschern fröhlich und der Frühling sorgt für angenehme Temperaturen.
Auf der Weiterfahrt in den Süden machen wir
in der Nähe der Jeita-Grotte Halt, um die 'Hall of Fame' zu besuchen: Ein Wachsmuseum mit
Hassan Nasrallah und Bill Clinton aus Wachs
prominenten Figuren, die sich dank moderner Technik nicht nur bewegen sondern auch sprechen und singen. Ein bizarrer Anblick, den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah neben den ehemaligen U.S Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush in einem Raum vereint anzutreffen. Im südlichen Tyros beziehen wir eine geräumige Air'bnb Wohnung mit Blick aufs Meer. Lydia und ihr Freund Christian stoßen am Abend zu uns, und wir beenden den fahrtintensiven Tag mit dem Kartenspiel 'Wizard' und einem Bier an der Küste. Der
Besuch im Hisbollah-Museum
kommende Morgen führt uns erneut ins Hisbollah-Museum, bevor wir an den Strand von Tyros fahren, und den Rest des Tages in der Sonne genießen. Jan und Arian finden am Strand Verbündete zum Fußball spielen, während ich eifrig Muscheln sammle und Maxie und Lena eine kleine Selfie-Reihe machen. Auch am kommenden Tag kehren wir bei 32 Grad an den Strand zurück, doch trotz der Hitze lässt es sich an diesem Tag nur kurz am Meer aushalten, weil der Wind den Sand mit aller Kraft durch die Lüfte wirbeln lässt.
Am Strand von Tyros
Unglücklicherweise kollidiert mein Zeh kurz vor der Weiterfahrt mit einem Stein, und während Arian die eigentlich kleine Wunde professionell verarztet, falle ich bereits zum zweiten Mal im Laufe der letzten Monate in Ohnmacht. Blut sehen war leider noch nie meine Stärke. Für eine Falafel und einen Kurzbesuch der alten Souks machen wir Halt in Saida, bevor wir am Abend nach fünf Tagen nach Beirut zurückkehren. Nach einer kurzen Pause und unserem wiederholten Check-In in unserem Air'bnb in Ashrafiyeh beenden wir die gemeinsame Reise mit einem Bier in Mar
Bier in Mar Mikhael
Mikhael. Nachdem Jan und ich uns am kommenden Tag von der Reise erholen und das Haus lediglich für einen kurzen Einkauf verlassen, beschließen wir kurzerhand für die letzten Tage seines Aufenthaltes erneut ein Auto zu mieten. Die Benzin- und Mietautopreise sind günstig, und der Wagen macht uns im Land wesentlich flexibler. Am Montag beginnen wir unsere zweite Tour mit einem Frühstück auf den Ruinen des Tempels von Eshmun, einer alten Stätte der Phönizier. Wir sind – wie so oft – die einzigen Touristen und spazieren mit meinem Reiseführer von 1998 durch die Anlage, der uns Auskunft über die Geschichte des Ortes gibt. Im Anschluss
Tempel von Eshmun
fahren wir erneut in den Süden, um die Wasserfälle von Jezzine zu besichtigen und eine unfertige Kirche zu besuchen. Zwischen Müll und Wasserfall klettern wir über die Steine, und bestaunen den Ausblick auf die Berge. Mit dem Film 'Oceans 11' und Pasta mit Champignon-Tomaten-Sojasahnesoße geht der Tag friedlich zu Ende. Unser letzter Ausflug führt Jan und mich in das Shouf-Gebirge, das vornehmlich von Drusen und Maroniten bewohnt wird. Dort führt uns Google maps über Umwege durch das Gebirge nach Deir al-Qamar, eine kleine maronitisch geprägte Stadt, in der wir unter anderem eine leerstehende Synagoge besichtigen. Auf dem Weg in das ehemalige Gotteshaus werden wir von einer freundlichen Dame angesprochen, die uns die Synagoge zeigen möchte und uns wenig später auf einen Kaffee in ihr Haus einlädt. Gemeinsam mit ihrem Mann lebt sie in einem alten
Ehemalige Synagoge in Deir al-Qamar
Kirchgebäude. Als wir das Gebäude betreten, treffen wir auf eine weitere Reisegruppe junger Tänzer, die ebenfalls von dem freundlichen Paar eingeladen wurden. Eine gute Gelegenheit, ein wenig Arabisch zu hören und zu sprechen und außerdem selbstgemachtes Rosenwasser und Apfelsaft aus der hauseigenen Produktion zu erwerben.
Nach meinem dritten Glas türkischem Kaffee
Palast von Beit Eddine
brechen wir auf, um den Palast von Beit Eddine zu besuchen, der nur wenige Kilometer vom Ort entfernt liegt. Ein prächtiger Bau, in dem es viele Ornamente, Farben und Formen zu entdecken gibt. Zuletzt steht ein erneuter Besuch in Bakata an, einem kleinen drusischen Ort in der Nähe. Dort befindet sich der mystisch angehauchte drusische Friedhof, den Maxie und ich bereits vor einigen Monaten besichtigen konnten. Wie beim letzten Mal gehe ich in den gegenüberliegenden Friseursalon, um nach dem Schlüssel für das Areal zu fragen. Bedauerlicherweise ist der Chef des Ladens nicht anwesend, und so werden wir zunächst auf den kommenden Tag vertröstet. Da Jan am nächsten Tag jedoch
Auf dem drusischen Friedhof
bereits abreisen muss, laufen wir eine Weile um den abgesperrten Friedhof herum, um immerhin von Außen ein paar Symbole und Elemente zu entdecken. Wir stellen uns bereits auf die Rückfahrt nach Beirut ein, als Jan in einem kleinen Geschäft auf der Suche nach Briefmarken durch einen Zufall auf den Chef des Friseursalons trifft. Dieser hatte mich beim Betreten des Ladens sofort erkannt, und ließ es sich nicht nehmen, uns in Windeseile den Schlüssel zu organisieren, und mit uns über den Friedhof zu laufen. Jan war von der Symbolik und dem mystischen Grundkonzept der Anlage beeindruckt, und so wurde der letztlich überraschende Besuch wohl zu einem kleinen finalen Highlight.
Gestern begann für mich erneut der Alltag an der Uni, und Jan begleitete mich am Morgen in den Ethik-Kurs, bevor er mit dem Mietauto zum Flughafen fuhr und letztlich sicher in Deutschland landete. Eigentlich war der Plan, meinen Blog bereits gestern fertig zu schreiben – allerdings kam mir ein Besuch mit Lydia im Emergency Room dazwischen, die auf Grund einer verschleppten Blasenentzündung letztlich für einige Stunden mit Antibiotika am Tropf hing. Jetzt scheint es aber glücklicherweise wieder bergauf zu gehen. Der heutige Morgen
Sea-Castell von Saida
begann mit dem üblichen Arab-Israeli-Conflict Seminar an der AUB und mit einem unüblichen Gast: Der deutsche Botschafter des Libanons war anwesend, um einen Abriss über die politische Haltung Deutschlands gegenüber Israel und Palästina zu geben. Eine spannende Abwechslung zum gängigen Unterricht. Bedauerlicherweise findet in der kommenden Woche bereits die letzte Sitzung des Seminars statt. Nur noch wenige Wochen liegen zwischen mir und meiner Rückkehr, und noch immer ist einigermaßen unklar, wo es mich im Anschluss hinführen wird. In den nächsten Wochen werde ich mich neben dem Arabischunterricht vor allem mit einer Hausarbeit im Ethik-Seminar befassen. Das Thema steht noch nicht fest, mittlerweile habe ich aber immerhin eine gute Idee. Ich freue mich auf die letzten Wochen im libanesischen Alltag, und werde von Tag zu Tag gespannter auf meine noch ungewisse Zukunft in Deutschland.

Montag, 3. April 2017

Rosarot.


Alles blüht rosa.
Der Lärm der Straße schallt in mein Zimmer, ich kann die Balkontür endlich wieder öffnen und blicke auf die rosa Blüten der Bäume, die in voller Pracht vor meiner Haustür blühen. Der Frühling hat Beirut offiziell erreicht. Nachdem ich gestern Abend pünktlich zur Deadline meine neue Geschichte fertiggestellt habe, finde ich nun endlich Zeit, um von den Ereignissen der vergangenen zwei Wochen zu berichten.
'Rosarot' lautet der Titel meines zweiseitigen Jahresrückblicks, an dem ich in den Wochen gefeilt habe. Gerne würde ich ihn als Entschädigung für den ausbleibenden Blog der letzte Woche im Zedernwald zur Verfügung stellen - da ich allerdings auf eine Veröffentlichung im österreichischen UND-Magazin hoffe, werde ich ihn nicht bereits im Vorfeld online publizieren.
Immer wieder überrascht es mich, wie viele unzählige Stunden ich damit verbringen kann, auf den Bildschirm zu starren, Assoziationsketten auf Pappkartons zu kritzeln und Satz für Satz einen neuen Text zu fabrizieren. So sehr ich es liebe, meine Zeit damit zu verbringen Geschichten zu schreiben – 'Rosarot' war ein ziemlicher Kraftakt, der mir jede Menge schlaflose Nächte und gleichzeitig viele verschlafene Nachmittage bereitet hat. Der Text gliedert sich in vier Abschnitte, die den Jahreszeiten entsprechen. Tag für Tag verschwand ich in der jeweiligen Phase des vergangenen Jahres, und war dementsprechend wenig am aktiven Alltag der letzten drei Wochen in Beirut beteiligt.
Einige Programmpunkte standen neben dem üblichen Uni-Alltag allerdings trotzdem an:
Am Mittwochabend der letzten Märzwoche gehen wir spontan mit Freunden von Lydia indisch essen. Da mir jede Abwechslung im Speiseplan mehr als willkommen ist, verdient dieser kurze Ausflug nach Mar Mikhael Erwähnung. Das Menü ist gesetzt, und wird Gang für Gang serviert. Der nette Abend in dem kleinen Restaurant hat seinen stolzen Preis: Wieder einmal beweist Beirut, dass sich die Stadt nicht unbedingt durch ihre studentenfreundlichen Kosten auszeichnet..
Am 23. März wurde im Flüchtlingslager der Muttertag gefeiert. Nachdem wir wochenlang zwei Lieder mit den fünf- und sechsjährigen geprobt hatten, war ich einigermaßen aufgeregt, als die Kinder endlich die Bühne betraten. Auf dem gesamten Hof hatten sich nahezu ausschließlich Mütter und Großmütter ohne ihre Ehemänner versammelt, um die Tänze und Gesänge der Kleinen und Großen zu bestaunen und zu beklatschen. Nach ein paar kurzen Reden der Leitung folgte ein buntes Programm. Es war nicht ganz leicht, die Aufmerksamkeit der Kinder zu erhaschen um ihnen den Start des Liedes zu signalisieren. Als das allerdings geschafft war, lief alles wie am Schnürchen: Beide Gruppen haben ihre kurzen englischen Lieder zu unserer großen Freude und Erleichterung fehlerfrei und textsicher präsentiert. Seither werden wir bei unseren üblichen Freitagsbesuchen regelmäßig mit den Muttertagsliedern begrüßt, die den Kindern offenbar nicht mehr aus den Köpfen gehen.
Singen im Flüchtlingslager.
Ein kleiner Erfolg, über den sich Maxie und ich sehr gefreut haben. Auch unabhängig von dem kleinen Event ist es schön zu erleben, wie die Kinder von Wiederholung zu Wiederholung immer textsicherer werden, regelmäßig Liedwünsche äußern und freudig mittanzen und singen.
Nach der Veranstaltung werden wir überraschend von einer jungen Französin angesprochen, die für ihre Doktorarbeit über NGO's in Flüchtlingslagern schreibt und sich für unsere Beweggründe interessiert, die uns in den Libanon und zu den Kindern gebracht haben.
Spontan werden wir von ihr und einer ihrer Bekannten zum Mittagessen eingeladen, die ebenfalls bei
Die jüngste Kindergartengruppe bei ihrem Auftritt
der Muttertagsfeier anwesend war. Kurzerhand führt uns der Weg durch das Flüchtlingslager in die kleine Wohnung der älteren Dame, die als syrische Palästinenserin während des gegenwärtigen Krieges eine Unterkunft gleich neben dem Lager gefunden hat. Sie teilt sich ein kleines Zimmer mit ihrer Tochter, die in einem Bekleidungsgeschäft arbeitet. Es gibt Tee, frische Pizza und gefüllte Spinattaschen, die wir auf dem Boden sitzend gemeinsam essen. Durch die Übersetzungsfähigkeiten von Doktorandin Layla erhalten wir die seltene Möglichkeit, einen kurzen Einblick in das Leben der gastfreundlichen Frau zu erhalten. Mit ihrem Ehemann habe sie in Dubai gelebt, erzählt sie – ein Leben in dem sie noch im Besitz von drei Autos waren und es ihnen gut ging. Wo ihr Mann jetzt ist, erzählt sie nicht. Trotzdem wirkt sie weder klagend noch verbittert, sondern bescheiden und dankbar für das, was sie hat. Ein beeindruckender Besuch.
Die Berge von Tannourine
Am letzten Märzwochenende organisierte das 'Studienoberhaupt' der N.E.S.T einen letzten Ausflug, bevor seine 'Amtszeit' kürzlich zu Ende ging. Mit einem gemieteten Bus fuhren wir am frühen Morgen in den Norden nach Tannourine, um eine kleine Wanderung zu unternehmen. Nachdem ich bislang nur eine einzige Zeder auf einem Ausflug ins 'Shouf'-Gebirge gesehen habe, bot sich im Zedernreservat endlich Gelegenheit, ein paar mehr der libanesischen Symbolbäume zu
Eine postkartenreife Zeder..
bewundern. Weshalb es die Zeder letztlich sogar bis auf die Flagge geschafft hat, ist mir allerdings ehrlich gesagt nach wie vor eher schleierhaft: Zwar ist der besondere Baum in mehreren Regionen des Landes anzufinden – ob der Hype um das Kieferngewächs jedoch berechtigt ist, bleibt in meinen Augen ein bisschen fragwürdig. Dennoch genieße ich den Ausflug, auf dem uns von einem Guide die Flora und Fauna erklärt wird, während wir durch den Schnee der Berge spazieren. Der Sonntag steht ganz im Zeichen meiner Geschichte, bis ich am Abend einen kleinen Shopping-Ausflug einlege und einige Dinge für die Uni erledige. Die neue Woche vergeht im Flug, während ich weiterhin Tag für Tag auf meiner Pferdedecke auf dem Boden sitze, um meinen Text in Gedanken zusammenzupuzzlen und letztlich aufs Papier zu bringen.
Arbeitsstation in meinem Zimmer
Im Theaterworkshop wird am Donnerstag verkündet, dass wir für den bevorstehenden Ostergottesdienst ein kleines Stück vorbereiten werden. In den kommenden zwei Stunden versuchen wir, einige Szenen der Ostergeschichte nachzuspielen. Im Anschluss wird gemeinsam überlegt, wie sich die szenischen Elemente in den Gottesdienst eingliedern lassen. In dieser Woche werden wir daran weiterarbeiten, bevor pünktlich zum Ferienbeginn die vorösterliche Feier stattfindet.
Das letzte Wochenende begann mit einem Ausflug nach Dbayeh, einer kleinen Industriestadt am Highway zwischen Beirut und Byblos. Meine Physiotherapeutin hatte mir aufgetragen, ein Thera-Band zu besorgen. An die 1 ½ Stunden dauert es, bis Maxie und ich das große Shopping-Zentrum erreichen. Ärgerlicherweise finde ich die Bänder nicht, halte ein anderes Produkt für das Richtige und tätige schließlich einen überteuerten Fehlkauf. Also heißt es: Demnächst erneut ins Shopping-Paradies, um das Band umzutauschen und das Richtige zu erwerben. Im Chaos des hiesigen Verkehrs ist ein derartiger Ausflug fernab der Stadtrgenzen jedes Mal aufs Neue ein verhältnismäßig aufwändiges und vor allem zeitintensives Unterfangen. Dafür entdecken wir ein 'deutsches Restaurant', in dem es zwanzig verschiedene Biersorten und Schnitzel gibt. Die Wände zieren die Farben der Deutschlandfahne und ein überdimensionierter Reichsadler...
Am Freitagabend stand nach längerer Zeit mal wieder ein Kinobesuch an: Lydia und eine deutsche Freundin haben vor, sich den libanesischen Film 'Mahbas' anzusehen. Kurzerhand beschließen Maxie und ich, uns anzuschließen. Bei einer großen Portion karamellisiertem Popcorn herrscht großartige Stimmung im Kinosaal, der nahezu bis auf den letzten Platz besetzt ist. Während bei unseren bisherigen Kinobesuchen das Publikum meist der libanesischen Oberschicht anzugehören schien, zeigt sich an diesem Abend ein anderes Bild: Dies mag daran liegen, dass es sich nicht um einen amerikanischen Hollywood-Schinken, sondern um eine lokale Komödie handelt. Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Libanesin, die beabsichtigt, sich mit einem Syrer zu verloben. Die Mutter, die ihren Bruder im Krieg durch eine syrische Bombe verloren hat, wird am Tag der Verlobung mit der syrischen Herkunft des Verlobten überrascht. Ein großartiger Film, der einen treffenden Einblick in die christlich-libanesische Gesellschaft vermittelt, und auch uns immer wieder zum Lachen bringt.

Weitere Eindrücke aus Tannourine..
Am kommenden Morgen mache ich mich erneut zu meiner Physiotherapeutin auf, die mich auf Grund ihrer alternativen Arbeitsmethoden erneut beeindruckt und im positiven Sinne sprachlos macht. Den Rest des Wochenendes verbringe ich mit einer halben Flasche Wein, Oliven und meiner Geschichte auf meinem Zimmer. Ich kann es kaum fassen, als ich den Text am späten Abend endlich abschicken kann.
Die neue Woche beginnt mit einem Besuch von zwei Brüdern aus Taizé, die uns am heutigen Nachmittag einen kleinen Film über die Begegnungsstätte gezeigt haben, für Fragen zur Verfügung standen und die Andacht leiteten. Eine schöne Erinnerung an drei oder vier vergangene Besuche in Taizé, die ich alle in bester Erinnerung habe.
Acht Tage bleiben, bis Jan erneut in Beirut landen wird, und dieses Mal für ganze zwei Wochen hier
bleibt. Ich habe in den letzten Wochen fleißig die Tage gezählt, und freue mich riesig auf seinen Besuch. Bis es soweit ist, gilt es noch jede Menge zu erledigen: Am Mittwoch fahre ich mit Clemens in das Begegnungszentrum 'Dar al-Salam', um die Kinder einiger deutscher Pfarrer zu bespaßen, die im Nahen Osten tätig sind und nun für eine Konferenz in den Libanon kommen. Außerdem muss ich für ein kurzes Paper über eine NGO Interviews führen und mich zeitgleich auf die Abschlussklausur für den Kurs bei Dr. Peter Ford vorbereiten. Heute ist außerdem Rike in Beirut gelandet, eine alte Schulfreundin, mit der ich gemeinsam Abitur gemacht habe. Sie ist Individualtourismus dankenswerterweise gewöhnt, und kommt nicht spezifisch mich besuchen, sondern ist in erster Linie hier, um das Land kennenzulernen. Dennoch wünschte ich, ich hätte mehr Zeit, um ihr in den kommenden Tagen einige Orte zu zeigen. Nun aber bleibt bereits für die verpflichtenden Programmpunkte bereits kaum Zeit...
Umso mehr freue ich mich, dass ich mich im Anschluss auf zwei Wochen Ferien freuen kann, in denen ich gemeinsam mit Jan, Maxie, Lydia und dem Besuch der Beiden das kleine Land bereisen werde.
Ob ich bis dahin Zeit finde, einen weiteren Blog zu schreiben ist fraglich. Realistischer scheint mir momentan, dass ich auch in den kommenden drei Wochen eine Schreibpause einlegen werde, um Ende April mit vielen neuen Geschichten zurückzukommen.