Montag, 3. April 2017

Rosarot.


Alles blüht rosa.
Der Lärm der Straße schallt in mein Zimmer, ich kann die Balkontür endlich wieder öffnen und blicke auf die rosa Blüten der Bäume, die in voller Pracht vor meiner Haustür blühen. Der Frühling hat Beirut offiziell erreicht. Nachdem ich gestern Abend pünktlich zur Deadline meine neue Geschichte fertiggestellt habe, finde ich nun endlich Zeit, um von den Ereignissen der vergangenen zwei Wochen zu berichten.
'Rosarot' lautet der Titel meines zweiseitigen Jahresrückblicks, an dem ich in den Wochen gefeilt habe. Gerne würde ich ihn als Entschädigung für den ausbleibenden Blog der letzte Woche im Zedernwald zur Verfügung stellen - da ich allerdings auf eine Veröffentlichung im österreichischen UND-Magazin hoffe, werde ich ihn nicht bereits im Vorfeld online publizieren.
Immer wieder überrascht es mich, wie viele unzählige Stunden ich damit verbringen kann, auf den Bildschirm zu starren, Assoziationsketten auf Pappkartons zu kritzeln und Satz für Satz einen neuen Text zu fabrizieren. So sehr ich es liebe, meine Zeit damit zu verbringen Geschichten zu schreiben – 'Rosarot' war ein ziemlicher Kraftakt, der mir jede Menge schlaflose Nächte und gleichzeitig viele verschlafene Nachmittage bereitet hat. Der Text gliedert sich in vier Abschnitte, die den Jahreszeiten entsprechen. Tag für Tag verschwand ich in der jeweiligen Phase des vergangenen Jahres, und war dementsprechend wenig am aktiven Alltag der letzten drei Wochen in Beirut beteiligt.
Einige Programmpunkte standen neben dem üblichen Uni-Alltag allerdings trotzdem an:
Am Mittwochabend der letzten Märzwoche gehen wir spontan mit Freunden von Lydia indisch essen. Da mir jede Abwechslung im Speiseplan mehr als willkommen ist, verdient dieser kurze Ausflug nach Mar Mikhael Erwähnung. Das Menü ist gesetzt, und wird Gang für Gang serviert. Der nette Abend in dem kleinen Restaurant hat seinen stolzen Preis: Wieder einmal beweist Beirut, dass sich die Stadt nicht unbedingt durch ihre studentenfreundlichen Kosten auszeichnet..
Am 23. März wurde im Flüchtlingslager der Muttertag gefeiert. Nachdem wir wochenlang zwei Lieder mit den fünf- und sechsjährigen geprobt hatten, war ich einigermaßen aufgeregt, als die Kinder endlich die Bühne betraten. Auf dem gesamten Hof hatten sich nahezu ausschließlich Mütter und Großmütter ohne ihre Ehemänner versammelt, um die Tänze und Gesänge der Kleinen und Großen zu bestaunen und zu beklatschen. Nach ein paar kurzen Reden der Leitung folgte ein buntes Programm. Es war nicht ganz leicht, die Aufmerksamkeit der Kinder zu erhaschen um ihnen den Start des Liedes zu signalisieren. Als das allerdings geschafft war, lief alles wie am Schnürchen: Beide Gruppen haben ihre kurzen englischen Lieder zu unserer großen Freude und Erleichterung fehlerfrei und textsicher präsentiert. Seither werden wir bei unseren üblichen Freitagsbesuchen regelmäßig mit den Muttertagsliedern begrüßt, die den Kindern offenbar nicht mehr aus den Köpfen gehen.
Singen im Flüchtlingslager.
Ein kleiner Erfolg, über den sich Maxie und ich sehr gefreut haben. Auch unabhängig von dem kleinen Event ist es schön zu erleben, wie die Kinder von Wiederholung zu Wiederholung immer textsicherer werden, regelmäßig Liedwünsche äußern und freudig mittanzen und singen.
Nach der Veranstaltung werden wir überraschend von einer jungen Französin angesprochen, die für ihre Doktorarbeit über NGO's in Flüchtlingslagern schreibt und sich für unsere Beweggründe interessiert, die uns in den Libanon und zu den Kindern gebracht haben.
Spontan werden wir von ihr und einer ihrer Bekannten zum Mittagessen eingeladen, die ebenfalls bei
Die jüngste Kindergartengruppe bei ihrem Auftritt
der Muttertagsfeier anwesend war. Kurzerhand führt uns der Weg durch das Flüchtlingslager in die kleine Wohnung der älteren Dame, die als syrische Palästinenserin während des gegenwärtigen Krieges eine Unterkunft gleich neben dem Lager gefunden hat. Sie teilt sich ein kleines Zimmer mit ihrer Tochter, die in einem Bekleidungsgeschäft arbeitet. Es gibt Tee, frische Pizza und gefüllte Spinattaschen, die wir auf dem Boden sitzend gemeinsam essen. Durch die Übersetzungsfähigkeiten von Doktorandin Layla erhalten wir die seltene Möglichkeit, einen kurzen Einblick in das Leben der gastfreundlichen Frau zu erhalten. Mit ihrem Ehemann habe sie in Dubai gelebt, erzählt sie – ein Leben in dem sie noch im Besitz von drei Autos waren und es ihnen gut ging. Wo ihr Mann jetzt ist, erzählt sie nicht. Trotzdem wirkt sie weder klagend noch verbittert, sondern bescheiden und dankbar für das, was sie hat. Ein beeindruckender Besuch.
Die Berge von Tannourine
Am letzten Märzwochenende organisierte das 'Studienoberhaupt' der N.E.S.T einen letzten Ausflug, bevor seine 'Amtszeit' kürzlich zu Ende ging. Mit einem gemieteten Bus fuhren wir am frühen Morgen in den Norden nach Tannourine, um eine kleine Wanderung zu unternehmen. Nachdem ich bislang nur eine einzige Zeder auf einem Ausflug ins 'Shouf'-Gebirge gesehen habe, bot sich im Zedernreservat endlich Gelegenheit, ein paar mehr der libanesischen Symbolbäume zu
Eine postkartenreife Zeder..
bewundern. Weshalb es die Zeder letztlich sogar bis auf die Flagge geschafft hat, ist mir allerdings ehrlich gesagt nach wie vor eher schleierhaft: Zwar ist der besondere Baum in mehreren Regionen des Landes anzufinden – ob der Hype um das Kieferngewächs jedoch berechtigt ist, bleibt in meinen Augen ein bisschen fragwürdig. Dennoch genieße ich den Ausflug, auf dem uns von einem Guide die Flora und Fauna erklärt wird, während wir durch den Schnee der Berge spazieren. Der Sonntag steht ganz im Zeichen meiner Geschichte, bis ich am Abend einen kleinen Shopping-Ausflug einlege und einige Dinge für die Uni erledige. Die neue Woche vergeht im Flug, während ich weiterhin Tag für Tag auf meiner Pferdedecke auf dem Boden sitze, um meinen Text in Gedanken zusammenzupuzzlen und letztlich aufs Papier zu bringen.
Arbeitsstation in meinem Zimmer
Im Theaterworkshop wird am Donnerstag verkündet, dass wir für den bevorstehenden Ostergottesdienst ein kleines Stück vorbereiten werden. In den kommenden zwei Stunden versuchen wir, einige Szenen der Ostergeschichte nachzuspielen. Im Anschluss wird gemeinsam überlegt, wie sich die szenischen Elemente in den Gottesdienst eingliedern lassen. In dieser Woche werden wir daran weiterarbeiten, bevor pünktlich zum Ferienbeginn die vorösterliche Feier stattfindet.
Das letzte Wochenende begann mit einem Ausflug nach Dbayeh, einer kleinen Industriestadt am Highway zwischen Beirut und Byblos. Meine Physiotherapeutin hatte mir aufgetragen, ein Thera-Band zu besorgen. An die 1 ½ Stunden dauert es, bis Maxie und ich das große Shopping-Zentrum erreichen. Ärgerlicherweise finde ich die Bänder nicht, halte ein anderes Produkt für das Richtige und tätige schließlich einen überteuerten Fehlkauf. Also heißt es: Demnächst erneut ins Shopping-Paradies, um das Band umzutauschen und das Richtige zu erwerben. Im Chaos des hiesigen Verkehrs ist ein derartiger Ausflug fernab der Stadtrgenzen jedes Mal aufs Neue ein verhältnismäßig aufwändiges und vor allem zeitintensives Unterfangen. Dafür entdecken wir ein 'deutsches Restaurant', in dem es zwanzig verschiedene Biersorten und Schnitzel gibt. Die Wände zieren die Farben der Deutschlandfahne und ein überdimensionierter Reichsadler...
Am Freitagabend stand nach längerer Zeit mal wieder ein Kinobesuch an: Lydia und eine deutsche Freundin haben vor, sich den libanesischen Film 'Mahbas' anzusehen. Kurzerhand beschließen Maxie und ich, uns anzuschließen. Bei einer großen Portion karamellisiertem Popcorn herrscht großartige Stimmung im Kinosaal, der nahezu bis auf den letzten Platz besetzt ist. Während bei unseren bisherigen Kinobesuchen das Publikum meist der libanesischen Oberschicht anzugehören schien, zeigt sich an diesem Abend ein anderes Bild: Dies mag daran liegen, dass es sich nicht um einen amerikanischen Hollywood-Schinken, sondern um eine lokale Komödie handelt. Der Film erzählt die Geschichte einer jungen Libanesin, die beabsichtigt, sich mit einem Syrer zu verloben. Die Mutter, die ihren Bruder im Krieg durch eine syrische Bombe verloren hat, wird am Tag der Verlobung mit der syrischen Herkunft des Verlobten überrascht. Ein großartiger Film, der einen treffenden Einblick in die christlich-libanesische Gesellschaft vermittelt, und auch uns immer wieder zum Lachen bringt.

Weitere Eindrücke aus Tannourine..
Am kommenden Morgen mache ich mich erneut zu meiner Physiotherapeutin auf, die mich auf Grund ihrer alternativen Arbeitsmethoden erneut beeindruckt und im positiven Sinne sprachlos macht. Den Rest des Wochenendes verbringe ich mit einer halben Flasche Wein, Oliven und meiner Geschichte auf meinem Zimmer. Ich kann es kaum fassen, als ich den Text am späten Abend endlich abschicken kann.
Die neue Woche beginnt mit einem Besuch von zwei Brüdern aus Taizé, die uns am heutigen Nachmittag einen kleinen Film über die Begegnungsstätte gezeigt haben, für Fragen zur Verfügung standen und die Andacht leiteten. Eine schöne Erinnerung an drei oder vier vergangene Besuche in Taizé, die ich alle in bester Erinnerung habe.
Acht Tage bleiben, bis Jan erneut in Beirut landen wird, und dieses Mal für ganze zwei Wochen hier
bleibt. Ich habe in den letzten Wochen fleißig die Tage gezählt, und freue mich riesig auf seinen Besuch. Bis es soweit ist, gilt es noch jede Menge zu erledigen: Am Mittwoch fahre ich mit Clemens in das Begegnungszentrum 'Dar al-Salam', um die Kinder einiger deutscher Pfarrer zu bespaßen, die im Nahen Osten tätig sind und nun für eine Konferenz in den Libanon kommen. Außerdem muss ich für ein kurzes Paper über eine NGO Interviews führen und mich zeitgleich auf die Abschlussklausur für den Kurs bei Dr. Peter Ford vorbereiten. Heute ist außerdem Rike in Beirut gelandet, eine alte Schulfreundin, mit der ich gemeinsam Abitur gemacht habe. Sie ist Individualtourismus dankenswerterweise gewöhnt, und kommt nicht spezifisch mich besuchen, sondern ist in erster Linie hier, um das Land kennenzulernen. Dennoch wünschte ich, ich hätte mehr Zeit, um ihr in den kommenden Tagen einige Orte zu zeigen. Nun aber bleibt bereits für die verpflichtenden Programmpunkte bereits kaum Zeit...
Umso mehr freue ich mich, dass ich mich im Anschluss auf zwei Wochen Ferien freuen kann, in denen ich gemeinsam mit Jan, Maxie, Lydia und dem Besuch der Beiden das kleine Land bereisen werde.
Ob ich bis dahin Zeit finde, einen weiteren Blog zu schreiben ist fraglich. Realistischer scheint mir momentan, dass ich auch in den kommenden drei Wochen eine Schreibpause einlegen werde, um Ende April mit vielen neuen Geschichten zurückzukommen.

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