Alles blüht rosa. |
Der
Lärm der Straße schallt in mein Zimmer, ich kann die Balkontür
endlich wieder öffnen und blicke auf die rosa Blüten der Bäume,
die in voller Pracht vor meiner Haustür blühen. Der Frühling hat
Beirut offiziell erreicht. Nachdem ich gestern Abend pünktlich zur
Deadline meine neue Geschichte fertiggestellt habe, finde ich nun
endlich Zeit, um von den Ereignissen der vergangenen zwei Wochen zu
berichten.
'Rosarot'
lautet der Titel meines zweiseitigen Jahresrückblicks, an dem ich in
den Wochen gefeilt habe. Gerne würde ich ihn als Entschädigung für
den ausbleibenden Blog der letzte Woche im Zedernwald zur Verfügung
stellen - da ich allerdings auf eine Veröffentlichung im
österreichischen UND-Magazin hoffe, werde ich ihn nicht bereits im
Vorfeld online publizieren.
Immer
wieder überrascht es mich, wie viele unzählige Stunden ich damit
verbringen kann, auf den Bildschirm zu starren, Assoziationsketten
auf Pappkartons zu kritzeln und Satz für Satz einen neuen Text zu
fabrizieren. So sehr ich es liebe, meine Zeit damit zu verbringen
Geschichten zu schreiben – 'Rosarot' war ein ziemlicher Kraftakt,
der mir jede Menge schlaflose Nächte und gleichzeitig viele
verschlafene Nachmittage bereitet hat. Der Text gliedert sich in vier
Abschnitte, die den Jahreszeiten entsprechen. Tag für Tag verschwand
ich in der jeweiligen Phase des vergangenen Jahres, und war
dementsprechend wenig am aktiven Alltag der letzten drei Wochen in
Beirut beteiligt.
Einige
Programmpunkte standen neben dem üblichen Uni-Alltag allerdings
trotzdem an:
Am
Mittwochabend der letzten Märzwoche gehen wir spontan mit Freunden
von Lydia indisch essen. Da mir jede Abwechslung im Speiseplan mehr
als willkommen ist, verdient dieser kurze Ausflug nach Mar Mikhael
Erwähnung. Das Menü ist gesetzt, und wird Gang für Gang serviert.
Der nette Abend in dem kleinen Restaurant hat seinen stolzen Preis:
Wieder einmal beweist Beirut, dass sich die Stadt nicht unbedingt
durch ihre studentenfreundlichen Kosten auszeichnet..
Am 23.
März wurde im Flüchtlingslager der Muttertag gefeiert. Nachdem wir
wochenlang zwei Lieder mit den fünf- und sechsjährigen geprobt
hatten, war ich einigermaßen aufgeregt, als die Kinder endlich die
Bühne betraten. Auf dem gesamten Hof hatten sich nahezu
ausschließlich Mütter und Großmütter ohne ihre Ehemänner
versammelt, um die Tänze und Gesänge der Kleinen und Großen zu
bestaunen und zu beklatschen. Nach ein paar kurzen Reden der Leitung
folgte ein buntes Programm. Es war nicht ganz leicht, die
Aufmerksamkeit der Kinder zu erhaschen um ihnen den Start des Liedes
zu signalisieren. Als das allerdings geschafft war, lief alles wie am
Schnürchen: Beide Gruppen haben ihre kurzen englischen Lieder zu
unserer großen Freude und Erleichterung fehlerfrei und textsicher
präsentiert. Seither werden wir bei unseren üblichen
Freitagsbesuchen regelmäßig mit den Muttertagsliedern begrüßt,
die den Kindern offenbar nicht mehr aus den Köpfen gehen.
Singen im Flüchtlingslager. |
Ein
kleiner Erfolg, über den sich Maxie und ich sehr gefreut haben. Auch
unabhängig von dem kleinen Event ist es schön zu erleben, wie die
Kinder von Wiederholung zu Wiederholung immer textsicherer werden,
regelmäßig Liedwünsche äußern und freudig mittanzen und singen.
Nach
der Veranstaltung werden wir überraschend von einer jungen Französin
angesprochen, die für ihre Doktorarbeit über NGO's in
Flüchtlingslagern schreibt und sich für unsere Beweggründe
interessiert, die uns in den Libanon und zu den Kindern gebracht
haben.
Spontan
werden wir von ihr und einer ihrer Bekannten zum Mittagessen
eingeladen, die ebenfalls bei
Die jüngste Kindergartengruppe bei ihrem Auftritt |
Die Berge von Tannourine |
Am
letzten Märzwochenende organisierte das 'Studienoberhaupt' der
N.E.S.T einen letzten Ausflug, bevor seine 'Amtszeit' kürzlich zu
Ende ging. Mit einem gemieteten Bus fuhren wir am frühen Morgen in
den Norden nach Tannourine, um eine kleine Wanderung zu unternehmen.
Nachdem ich bislang nur eine einzige Zeder auf einem Ausflug ins
'Shouf'-Gebirge gesehen habe, bot sich im Zedernreservat endlich
Gelegenheit, ein paar mehr der libanesischen Symbolbäume zu
Eine postkartenreife Zeder.. |
Arbeitsstation in meinem Zimmer |
Im
Theaterworkshop wird am Donnerstag verkündet, dass wir für den
bevorstehenden Ostergottesdienst ein kleines Stück vorbereiten
werden. In den kommenden zwei Stunden versuchen wir, einige Szenen
der Ostergeschichte nachzuspielen. Im Anschluss wird gemeinsam
überlegt, wie sich die szenischen Elemente in den Gottesdienst
eingliedern lassen. In dieser Woche werden wir daran weiterarbeiten,
bevor pünktlich zum Ferienbeginn die vorösterliche Feier
stattfindet.
Das
letzte Wochenende begann mit einem Ausflug nach Dbayeh, einer kleinen
Industriestadt am Highway zwischen Beirut und Byblos. Meine
Physiotherapeutin hatte mir aufgetragen, ein Thera-Band zu besorgen.
An die 1 ½ Stunden dauert es, bis Maxie und ich das große
Shopping-Zentrum erreichen. Ärgerlicherweise finde ich die Bänder
nicht, halte ein anderes Produkt für das Richtige und tätige
schließlich einen überteuerten Fehlkauf. Also heißt es: Demnächst
erneut ins Shopping-Paradies, um das Band umzutauschen und das
Richtige zu erwerben. Im Chaos des hiesigen Verkehrs ist ein
derartiger Ausflug fernab der Stadtrgenzen jedes Mal aufs Neue ein
verhältnismäßig aufwändiges und vor allem zeitintensives
Unterfangen. Dafür entdecken wir ein 'deutsches Restaurant', in dem
es zwanzig verschiedene Biersorten und Schnitzel gibt. Die Wände
zieren die Farben der Deutschlandfahne und ein überdimensionierter
Reichsadler...
Am
Freitagabend stand nach längerer Zeit mal wieder ein Kinobesuch an:
Lydia und eine deutsche Freundin haben vor, sich den libanesischen
Film 'Mahbas' anzusehen. Kurzerhand beschließen Maxie und ich, uns
anzuschließen. Bei einer großen Portion karamellisiertem Popcorn
herrscht großartige Stimmung im Kinosaal, der nahezu bis auf den
letzten Platz besetzt ist. Während bei unseren bisherigen
Kinobesuchen das Publikum meist der libanesischen Oberschicht
anzugehören schien, zeigt sich an diesem Abend ein anderes Bild:
Dies mag daran liegen, dass es sich nicht um einen amerikanischen
Hollywood-Schinken, sondern um eine lokale Komödie handelt. Der Film
erzählt die Geschichte einer jungen Libanesin, die beabsichtigt,
sich mit einem Syrer zu verloben. Die Mutter, die ihren Bruder im
Krieg durch eine syrische Bombe verloren hat, wird am Tag der
Verlobung mit der syrischen Herkunft des Verlobten überrascht. Ein
großartiger Film, der einen treffenden Einblick in die
christlich-libanesische Gesellschaft vermittelt, und auch uns immer
wieder zum Lachen bringt.
Weitere Eindrücke aus Tannourine.. |
Am
kommenden Morgen mache ich mich erneut zu meiner Physiotherapeutin
auf, die mich auf Grund ihrer alternativen Arbeitsmethoden erneut
beeindruckt und im positiven Sinne sprachlos macht. Den Rest des
Wochenendes verbringe ich mit einer halben Flasche Wein, Oliven und
meiner Geschichte auf meinem Zimmer. Ich kann es kaum fassen, als ich
den Text am späten Abend endlich abschicken kann.
Die
neue Woche beginnt mit einem Besuch von zwei Brüdern aus Taizé, die
uns am heutigen Nachmittag einen kleinen Film über die
Begegnungsstätte gezeigt haben, für Fragen zur Verfügung standen
und die Andacht leiteten. Eine schöne Erinnerung an drei oder vier
vergangene Besuche in Taizé, die ich alle in bester Erinnerung habe.
Acht
Tage bleiben, bis Jan erneut in Beirut landen wird, und dieses Mal
für ganze zwei Wochen hier
bleibt. Ich habe in den letzten Wochen
fleißig die Tage gezählt, und freue mich riesig auf seinen Besuch.
Bis es soweit ist, gilt es noch jede Menge zu erledigen: Am Mittwoch
fahre ich mit Clemens in das Begegnungszentrum 'Dar al-Salam', um die
Kinder einiger deutscher Pfarrer zu bespaßen, die im Nahen Osten
tätig sind und nun für eine Konferenz in den Libanon kommen.
Außerdem muss ich für ein kurzes Paper über eine NGO Interviews
führen und mich zeitgleich auf die Abschlussklausur für den Kurs
bei Dr. Peter Ford vorbereiten. Heute ist außerdem Rike in Beirut
gelandet, eine alte Schulfreundin, mit der ich gemeinsam Abitur
gemacht habe. Sie ist Individualtourismus dankenswerterweise gewöhnt,
und kommt nicht spezifisch mich besuchen, sondern ist in erster Linie
hier, um das Land kennenzulernen. Dennoch wünschte ich, ich hätte
mehr Zeit, um ihr in den kommenden Tagen einige Orte zu zeigen. Nun
aber bleibt bereits für die verpflichtenden Programmpunkte bereits
kaum Zeit...
Umso
mehr freue ich mich, dass ich mich im Anschluss auf zwei Wochen
Ferien freuen kann, in denen ich gemeinsam mit Jan, Maxie, Lydia und
dem Besuch der Beiden das kleine Land bereisen werde.
Ob ich
bis dahin Zeit finde, einen weiteren Blog zu schreiben ist fraglich.
Realistischer scheint mir momentan, dass ich auch in den kommenden
drei Wochen eine Schreibpause einlegen werde, um Ende April mit
vielen neuen Geschichten zurückzukommen.
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