Streetart in Beirut |
Als wir am
Donnerstagabend zwischen 'Art Lounge' und 'Community-Treffen' wählen
müssen, wird uns die Entscheidung abgenommen: Spontan wird die 'Art
Lounge' um eine halbe Stunde verschoben, sodass wir an beiden
Veranstaltungen teilnehmen können. Als die neuen Repräsentanten des
Sports-, Social life- und Spiritual life-Committees
feststehen, begeben wir uns in den Keller
des Gebäudes, um gemeinsam Kunst zu machen.
Geplant ist,
in naher Zukunft die Fassade des Hauses mit bunten Kunstwerken aus
Plastikflaschen und Zement zu verschönern. Zunächst aber haben wir
die Möglichkeit, das Material kennenzulernen und erste kleine
Arbeiten zu fabrizieren. Ich versuche, bunte Eier aus Zement
herzustellen und verwende hierfür natürlich eines der wenigen
Materialien auf dem Tisch, die nicht für die Arbeit mit Zement
gedacht waren. Nicht so schlimm, findet unsere schwäbische Leiterin
– und so fülle ich die weiß-graue Flüssigkeit in einen
Plastikbehälter, der einer runden Eiswürfelform gleicht. Eine Woche
später muss ich das Behältnis zerbrechen, um die Kugeln
herauszulösen. Ein einigermaßen gelungener erster Versuch..
Wenig später
steht uns ein erster Besuch im palästinensischen Flüchtlingslager
bevor. Eine syrische Studentin der N.E.S.T begleitet uns und gibt sich jede
Menge Mühe, den Weg und das chaotische Bussystem verständlich zu
erklären. Dort vereinbaren Maxie, Lydia und ich einen Termin, um in
Zukunft regelmäßig 5-10 Jährigen Englisch zu unterrichten.
Das zweite
Wochenende in Beirut nutzen Maxie, Lydia und ich, um das westlich
geprägte Hamra in den Abendstunden zu erkunden. Einen Ort für ein
gediegenes Feierabendbier zu finden ist eine Leichtigkeit – ein
Glas Arak hingegen entpuppt sich als echte Herausforderung. Letztlich
aber werden wir fündig, und bekommen drei Gläser serviert –
hausgemacht.
Bar in Hamra |
Im Anschluss
lädt der Priester bei einer Tasse Kaffee zum Gespräch. Er betont,
dass wir uns in der Kirche wie zu Hause fühlen sollten, und sie ein
Ort für Menschen aller Konfessionen und Religionen sei. In einer
Zeit, in der die Kirche vom Aussterben bedroht und ständiger
Verfolgung ausgesetzt ist, bangen die Mitglieder um ihr Leben im
Nahen Osten und die Existenz der Gemeinden. Umso erfreulicher scheint
es, dass er in seinen Worten nicht nur Christen, sondern auch Muslime
einschließt und als Gäste willkommen heißt.
Shiitisches Viertel, geschmückt für Ashura |
Wenig später
machen sich Maxie und ich auf den Weg in ein Hotel in der Nähe, um
eine deutsche Reisegruppe des Journalistennetzwerks 'al-shark' zu
treffen. Die Gruppe reist derzeit für zehn Tage durch das Land und
es besteht die Möglichkeit, als Außenstehender an einzelnen
Programmpunkten teilzunehmen. An diesem Abend findet ein Vortrag zum
Thema Pressefreiheit im Libanon statt, den wir gespannt verfolgen.
Am kommenden
Montagmorgen begleiten wir die Gruppe in die Berghof-Stiftung, in der
uns ein äußerst eloquenter Jordanier einen Einblick in die
sunnitische Gesellschaft im Libanon vermittelt. Er selbst hat in
Deutschland studiert und spricht ausgezeichnet Deutsch. Er zeichnet
ein recht düsteres Bild der aktuellen politischen Verhältnisse,
kritisiert die Nichtexistenz von Frauenrechten und betont die
komplexen inner-sunnitischen Konflikte.
Spuren des Krieges inmitten von Beirut |
Im palästinensischen Flüchtlingslager |
Im
Flüchtlingslager hingegen, in dem Maxie und ich am Freitag das erste
Mal Englisch unterrichtet haben, scheint die Ausgangslage wesentlich
besser. Denn die Kinder, mit denen wir in der ersten Stunde das
Schreiben des Alphabets geübt haben, können bis auf „How are you?“
so gut wie kein Wort Englisch. Meine bisher wohl längste
Konversation auf Arabisch fand demnach mit einem vielleicht
sechsjährigen Mädchen statt, die mich gefragt hat, wo ich wohne.
Nach relativ kurzer Zeit habe ich leider überhaupt nichts mehr
verstanden und konnte ihr keine Antwort mehr auf ihre folgenden
Fragen geben, aber immerhin gab es bereits einen ersten Anfang eines
Gesprächs. Nachdem ich vor der ersten Stunde einigermaßen aufgeregt
war, ob und wie wir ohne wirkliche Sprachkenntnisse in der Klasse
zurechtkommen würden, bin ich im Nachhinein umso glücklicher, dass
wir den Versuch gestartet haben. Ich bin gespannt, wessen
Sprachkenntnisse am Ende ausgeprägter sein werden: Unsere in
Arabisch oder die der Kinder in Englisch..
Besuch beim syrisch orthodoxen Bischof |
Mit leerem
Magen und etwas schlapp begebe ich mich am heutigen Samstag auf die
zweite Ost-Kirchen-Exkursion. Wir treffen den Bischof der syrischen
orthodoxen Kirche in Beirut und wenig später den Bischof der syrisch
katholischen Kirche.
Zweiterer residiert in einem wunderschönen
Kloster außerhalb Beiruts. Während wir in Hamra Tag für Tag
stockendem Verkehr und tosendem Lärm ausgesetzt sind tut es gut, die
zauberhafte Aussicht zu genießen und auf die beeindruckende Natur
und das Meer zu blicken. Zwischenzeitlich machen wir außerdem Halt
an einem Pilgerort der Maroniten. Dort befindet sich eine große
Marienstatue, und weil Maria auch im Islam eine entscheidende Rolle
spielt, treffen sich hier Menschen verschiedener Religionen, um hier
zu beten und jede Menge Fotos zu machen.
Der Campus der AUB (American University Beirut) |
Wenig später
versendet Chris außerdem den Aktionsplan für den anstehenden
Weihnachtsbasar, für den im Vorhinein mit vereinten Kräften Kränze
und Lebkuchenhäuser entstehen sollen, die später auf dem Markt
verkauft werden können. So lässt sich womöglich in den kommenden
Monaten trotz der sommerlichen Temperaturen auch für uns noch ein
wenig Weihnachtsstimmung generieren.
In der
kommenden Woche müssen wir für unseren Islam-Kurs das erste
Kurzessay über Mohammed fertigstellen, Maxie und ich werden unsere
erste Andacht halten, und wir werden an weiteren Gesprächen mit dem
al-Sharq Netzwerk teilnehmen. Außerdem planen Maxie, Lydia und ich
einen ersten Ausflug an den Strand von Byblos – eine Stadt die auf
Fotos aussieht wie aus dem Bilderbuch.
„Der
Libanon beginnt außerhalb der Straßen von Beirut“, sagte heute
ein Kommilitone, und bei der Aussicht aus dem Kloster über das
kleine Land denke ich, dass er Recht haben mag, und es hinter der
dicht besiedelten Stadt noch jede Menge zu entdecken gibt.
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