Montag, 28. November 2016

Rendezvous in Beirut.


Spaziergang zu den Taubenfelsen
Nachdem ich den vergangenen Montag mit Meerblick und Blogschreiben verbracht habe, mache ich es mir am Abend im Airbnb gemütlich und freue mich über das unbegrenzte Internet, während ich auf Jan warte, der kurz vor Mitternacht in Beirut landet. Wenig später klopft es an der Tür, und ich bin sehr glücklich, Jan nach zwei Monaten endlich wieder in die Arme schließen zu können. Erfreulicherweise habe ich für den kommenden Tag keinerlei Termine, da am 22.11 der Unabhängigkeitstag des Landes gefeiert wird.
Wir begeben uns auf einen langen Spaziergang in die Stadt, besichtigen die Al-Amin Moschee und die wiederaufgebaute Innenstadt, die für Libanesen derzeit nicht zugänglich ist und eher an eine Filmkulisse, als an ein belebtes Stadtzentrum erinnert. Später machen wir es uns in meinem neuentdeckten Café in Gemmayzeh gemütlich, trinken Kaffee und lassen die ersten gemeinsamen Eindrücke sacken.
Außerdem zeige ich Jan die N.E.S.T – den Dreh- und Angelpunkt meines derzeitigen Alltags. Mit einer eigenen Küche im Apartment genieße ich es, mich nach zwei Monaten libanesischer Kantine von Jan bekochen zu lassen, und freue mich, endlich mal wieder bissfeste Pasta anstatt von weichgekochter Spaghetti serviert zu bekommen.
Am Mittwoch gehe ich meinen universitären Pflichten nach, und lasse Jan für die tägliche Andacht und 2 ½ Stunden Ostkirchen-Seminar im Apartment zurück.
Streetart in Beirut
Am Abend fahren wir gemeinsam mit Maxie und Lydia nach Mar Mikhael, um Lydia und Jan den zweiwöchentlich stattfindenden Rap- und Hip-Hop-Abend vorzustellen. Nachdem Maxie und ich inzwischen bereits drei Mal an der Veranstaltung teilgenommen haben steht fest: Die Szene ist mehr als überschaubar und das lyrische Programm der Rapper zeigt von Woche zu Woche wenig Veränderungen. Überrascht bin ich allerdings, als sich herausstellt dass einer der regelmäßig anwesenden Rapper hauptberuflich Blumenverkäufer ist. Woche für Woche steht er mit einer Vase Rosen auf der Bühne, in einer der vergangenen Wochen nahm er als Teil seiner Performance einen großen Schluck Wasser aus dem Gefäß – und so ging ich davon aus, dass die Rosen nicht mehr als ein Markenzeichen seien. Dank der Übersetzung von Nabil, der wenig später zu uns stößt, stellt sich jedoch heraus, dass er die Rosen nicht grundlos mit sich herumträgt. Als wir etwas später die Bar wechseln, läuft der Rapper zwei Mal an uns vorbei, und bietet uns seine Rosen zum Verkauf an. Ein trauriges Bild, mit dem ich nicht gerechnet habe.
Am kommenden Morgen steht eine weitere Stunde Einführung in den Islam auf dem Programm, bevor ich mich mit Jan auf einen Spaziergang ans Meer begebe, und wir zu den Taubenfelsen spazieren. Die Sonne scheint uns ins Gesicht, und ich bin nach wie vor jeden Moment dankbar, dem deutschen Winter entflohen zu sein.
Novembersonne an der Corniche
Weil ich am frühen Abend Arabischunterricht habe, machen Jan und ich uns mit dem Taxi auf den Weg nach Gemmayzeh. Unser Taxifahrer, Husayin, stellt sich als äußerst freundlich und hilfsbereit dar – erzählt von seinen Schwestern in Dänemark und Deutschland und hat uns wenig später in seine Familie aufgenommen. Er bietet uns an, uns für Tagesausflüge durchs Land zu fahren und Jan am Tag seiner Abreise zum Flughafen zu bringen. Letzteres Angebot klingt für Jan vielversprechend, der auf der Hinreise an einen Taxifahrer geraten war, der für die Fahrt in die Stadt deutlich zu viel Geld verlangt hatte. 
Nach drei Stunden intensiven und langwierigen Stunden Arabischunterricht mit einer deutlich kleineren Klasse als sonst, esse ich in Gemmayzeh mit Jan zu Abend, der während des Unterrichts im Café auf mich gewartet hat.
Der Freitag ist der einzige Tag, an dem ich keine Termine oder Seminare habe und den wir für einen Ausflug nach Byblos nutzen können. 


Kreuzfahrerburg "Gibelet"
Aufgrund des katastrophalen Verkehrs dauert es über drei Stunden, in das nur 40 Kilometer entfernte Städtchen am Meer zu gelangen. Wir besuchen die Kreuzfahrerburg und eine maronitische Kirche, laufen durch den touristischen Souk in dem überraschenderweise vor allem Frauen ihre Ware anbieten und essen in einem Restaurant zu Abend, in dem es wieder ein Mal mehr Mitarbeiter als Gäste zu geben scheint.

Byblos





Für Jan, der sich vegan ernährt, ist die libanesische Küche eine Genugtuung. Die arabische 'Mezze' – eine Reihe kleiner Vorspeisenteller (wie beispielsweise Hummus, Auberginenpaste, Shakshuka, Oliven, Bohnen usw.), serviert mit Brot und Salat, kann man sich selbst zusammenstellen. Die Speisekarte bietet eine Vielzahl veganer Köstlichkeiten, die es Jan ermöglichen, problemlos auf tierische Produkte zu verzichten und sich dennoch reichhaltig zu ernähren.



Beleuchtete Ausgrabungen in Byblos





Auf dem Rückweg zur Hauptstraße passieren wir archäologische Ausgrabungen der Stadt, die anlässlich zur Weihnachtszeit mit grellen Lichterketten verziert sind.

Laute elektronische Weihnachtsmusik und ein riesiger Weihnachtsbaum vervollständigen das kitschige Bild, das den vielen begeisterten libanesischen Besuchern zu gefallen scheint. Sie nutzen die bunten Weihnachtskugeln und leuchtenden Bäume für ausgiebige Foto-Sessions mit der ganzen Familie. Obwohl Strom eine absolute Mangelware im Land ist, scheint die Weihnachtsbeleuchtung zum Pflichtprogramm zu gehören.



Lebkuchenhäuser auf dem Weihnachtsbasar
Auch der Samstag steht ganz im Zeichen der Vorweihnachtszeit: Endlich findet der Weihnachtsbasar der deutschen Gemeinde statt, den Maxie, Lydia und ich in den vergangenen Wochen mit vorbereitet haben. Während Lydia am Würstchen- und Sauerkrautstand steht, verkaufen Maxie und ich Stollen und Lebkuchen von Bahlsen.






Weihnachtsbasar der deutschen Gemeinde
Obwohl die Produkte im Vergleich zu Deutschland für beachtliche Preise verkauft werden (ein Stollen = 10 Euro), sind die libanesischen Besucher kaum zu stoppen. Eine Käuferin lässt sich Zimtsterne, mit Marmelade gefüllte Herzen und Bratapfelstollen im Wert von über 230 Euro von mir in Plastiktüten packen. Auch Rascha, meine ehemalige Mitbewohnerin aus Berlin kommt mit einem Freund vorbei.
Eine weitere Gelegenheit, sich kurz zu unterhalten.
 Den späten Nachmittag und Abend verbringen Jan und ich in aller Gemütlichkeit, zwischen süchtig machendem Handy-Spiel und Lieferservice-Pasta in unserem Apartment. Am Nachmittag telefoniert Jan kurz mit Taxifahrer Husayn, der kurzerhand vorbeikommt um den Preis und weitere Modalitäten vor Ort abzusprechen, bevor er kurz vor 1 Uhr nachts erneut vor unserer Zimmertür steht, um Jan bereits zurück zum Flughafen zu bringen.





Ich verbringe die letzte Nacht allein im Apartment, bevor ich mich am Sonntag wieder vom unbegrenzten Wifi und der ruhigen Umgebung verabschieden muss, und mich – zusammen mit dem neuen Norah Jones Album, Samba-Schokocreme und dem Magazin, in dem kürzlich mein erster Text mit Dharas Illustrationen veröffentlicht wurde – auf den Weg zurück an die N.E.S.T mache. Am Sonntag finde ich endlich Zeit, meine Bewerbung für den NDR abzuschicken und mir einen Plan für die kommende Woche zu machen.
7up-Assoziation à la Jan

Am heutigen Montag habe ich am Vormittag der Leiterin des JCC (Joint Christian Committee) einen Besuch abgestattet, um mich über freiwillige Einsatzmöglichkeiten in ihrer Einrichtung im palästinensischen Flüchtlingslager zu informieren. Voraussichtlich werde ich in der kommenden Woche mit Maxie erneut nach Sabra und Shatila fahren, um zu entscheiden, mit welcher Altersgruppe und in welchem Bereich wir unseren Freiwilligendienst fortführen möchten. Momentan liebäugele ich vor allem mit der Arbeit im Kindergarten, da es mir mit Kindern am leichtesten zu fallen scheint, eine neue Sprache zu erlernen. Den Nachmittag verbringe ich mit Lydia im gemütlichen Café T-Marbouta.


Weihnachten in Byblos
Während in Deutschland Weihnachtsmärkte mit Glühwein, Lebkuchen und Mariah Carey für weihnachtliche Stimmung sorgen, ist es bei herbstlichem Sonnenschein eine kleine Herausforderung, ein wenig Advent in den Alltag zu zaubern. Mit Wichteln, Weihnachtschor und vorweihnachtlichen Bastelaktionen gibt sich das 'Social-Committee' der Hochschule allerdings größte Mühe, auch im Libanon den Advent gebührend zu zelebrieren.

Bis Weihnachten stehen uns - wie bereits in den vorigen Wochen - jede Menge Ausflüge bevor: Am Mittwoch werden wir uns auf einem Ausflug in eine Kirche und ins Museum mit dem Schicksal der armenischen Bevölkerung und Kirche befassen, bevor wir am Samstag nach Sidon fahren, um mit unserem Islam-Kurs ein Sharia-Gericht zu besuchen. So wird mein Advent nicht nur eine Zeit der Erwartung und Vorbereitung, sondern voraussichtlich auch eine Zeit mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen.

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